DARKEST HOUR
1. Februar 2011: Bei gefühlten 20 Grad unter dem Gefrierpunkt quäle ich mich von der S-Haltestelle Warschauer Straße runter in Richtung Jannowitzbrücke zum neuen Magnet-Club. Es ist erst kurz nach sechs, aber schon stockfinster ... Winter in Berlin. Einfach zum Kotzen.
Im Backstage empfängt mich ein gut gelaunter John Henry, seines Zeichens Sänger von Darkest Hour, und wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen für das verabredete Interview. Los geht's mit ein wenig Smalltalk. Ich frage John, ob er mir irgendeine der anderen Bands an diesem Abend empfehlen könnte. Er entgegnet, dass sie alle super wären und ich keine versäumen solle (eine glatte Lüge, denn Protest the Hero, Born of Osiris und Purified in Blood sind allesamt Grütze).
Dann reden wir ein wenig über den Magnet-Club. John erinnert sich an den Namen, aber die Location kennt er nicht. Kein Wunder, der Club ist vor nicht allzu langer Zeit aus Prenzlauer Berg nach Kreuzberg umgezogen. Ich erkläre ihm, dass ich Darkest Hour das letzte Mal 2005 zwar im gleichen Club aber an anderer Stelle gesehen hätte ... zusammen mit einer englischen Band namens Bleecher oder so. Johns Augen weiten sich, und er runzelte die Stirn, als hätte ich gerade etwas Unverzeihliches gesagt. "Die hießen Beecher und kamen aus Manchester!", erklärt er, und ich merke, dass es Zeit wird, das Diktiergerät anzuschalten.
partyausfall.de: Es überrascht mich ziemlich, dass du dich an all die Bands erinnerst, mit denen ihr vor Jahren mal getourt seid ...
John Henry (DH): Ja, das ist alles irgendwo in meinem Schädel vergraben. Man muss nur etwas suchen.
partyausfall.de: Trotzdem ... ich hab dir 'n falschen Namen gesagt, und du hast sofort die korrekte Band und die Einzelheiten parat.
John Henry (DH): Ja, manchmal muss ich halt etwas stärker buddeln. Ab und an reicht aber eben schon ein Name, und alles fällt mir wieder ein. Das ist dann so ein richtiges Aha-Erlebnis ... sind ja schließlich doch schon ein paar Jahre vergangen. Ich meine, wir touren mittlerweile seit über zehn Jahren ununterbrochen - da häuft sich einiges an Namen an.
partyausfall.de: Ja, das ist schon etwas verrückt, wenn man sich das mal überlegt, wo ihr angefangen habt: Kleine Releases auf kleinen Popel-Labels, dann irgendwann Victory und jetzt diese Jubiläumstour.
John Henry (DH): Ja, diese Tour ist eine Jubiläumstour zu unserem Fünfzehnjährigen. Unsere erste Show war im September 95, genauer gesagt am 23. September 1995, und nun ja ... eine verdammt lange Zeit ist das.
partyausfall.de: Ich habe auf eurer Website einen Link zu diesem Show-Archiv gesehen, in dem man sich die ganzen Flyer zu euren Konzerten anschauen kann. Da sind jede Menge Flyer und Poster aus den frühen Jahren - also 96, 97 und so - mit den ganzen großen HC-Bands der Neunziger, von denen mittlerweile keiner mehr da ist. Vielleicht sind die Leute aus diesen Bands ja immer noch aktiv, aber die Bands sind alle verschwunden ... außer ihr.
John Henry (DH): Ja, wir sind immer noch dabei. Ich weiß gar nicht so genau, woran das liegt, dass die anderen Bands alle verschwunden sind. Keine Ahnung, was mit ihnen passiert ist und warum sie nicht durchgehalten haben. Für uns ist es immer noch ein Riesenspaß, Konzerte zu spielen und Platten aufzunehmen. Und solange das so ist, sehe ich eigentlich keinen Grund, warum wir aufhören sollten. Außerdem scheint es nach all der Zeit immer noch eine Menge Leute da draußen zu geben, die sich für unsere Band interessieren.
partyausfall.de: Auf jeden Fall. Eure Platten waren ja durchweg ziemlich erfolgreich und auch die Touren sind immer gut besucht. Gibt es eigentlich für diese Tour eine spezielle Herangehensweise? Ich meine, es ist ja schließlich die Jubiläumstour zum fünfzehnjährigen Bandbestehen und außerdem habt ihr ein neues Album in den Startlöchern.
John Henry (DH): Ja, gut das du das ansprichst. Es ist nämlich tatsächlich so, dass wir dieses Mal etwas komplett anderes in Bezug auf unsere Setliste probieren. Auf Tour sprechen wir oft darüber, dass wir immer dieselben Songs spielen ... den gleichen Mist immer und immer wieder. Dieses Mal wollten wir einfach auch etwas von unserem älteren und nicht so oft gespielten Material präsentieren. So kamen wir darauf, dass es doch cool wäre, Songs von all unseren Alben zu spielen - mindestens einen Song von jeder der sechs Platten, die wir bis jetzt gemacht haben. Am Ende ist es ein ziemlich langes Set geworden, das einen guten Querschnitt unseres Outputs auf Platte darstellt. Auf diese Weise feiern wir ein bisschen die Tatsache, dass wir jetzt 15 Jahre dabei sind und so viele Platten veröffentlicht haben. Das Publikum auf unseren Konzerten ist generell ziemlich gemischt, sodass auch die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen: Es gibt immer ein paar ältere Leute, die sich über Songs von den ersten Alben freuen, auf der anderen Seite sind aber auch jede Menge fünfzehnjährige Kids da, die gerade mal eine Platte von uns kennen. Bei dieser Tour geht es ganz klar darum, all unseren Fans etwas zu geben und uns so für die Unterstützung in all den Jahren zu bedanken.
partyausfall.de: Aber ihr spielt auch Zeug vom neuen Album auf dieser Tour, oder?
John Henry (DH): Nein, nein, nein. Von der ganz neuen Platte spielen wir noch nichts.
partyausfall.de: Wieso nicht?
John Henry (DH): Nun, wir wollten das noch etwas zurückhalten bis nach der Veröffentlichung des Albums. Wir spielen die Songs schon im Soundcheck und so, haben sie aber bis jetzt noch nicht live vorgestellt. Es liegt auch ein bisschen daran, dass wir nicht wirklich oft proben können, weil wir sehr weit entfernt voneinander wohnen. Nicht, dass das jetzt eine Entschuldigung sein soll oder so ... wir wollen es halt einfach nicht überhasten, sondern lieber warten, bis das Album draußen ist und erst dann das neue Material spielen.
partyausfall.de: Vielleicht sind dann die Reaktionen des Publikums auch anders.
John Henry (DH): Ja, kann gut sein, dass es mehr Sinn macht, wenn die Leute zuerst die Aufnahmen hören und es sich dann live anschauen.
John Henry (DH): Ja, das Veröffentlichungsdatum ist der 22. Februar in den USA und ich glaube, in Europa kommt das Album am 7. März raus. Das sind unterschiedliche Daten, weil wir in den USA auf eOne sind und in Europa auf Century Media.
partyausfall.de: Ah, okay, und diese Tour läuft noch bis Ende Februar, oder?
John Henry (DH): Hm, mal überlegen ... also die letzte Show ist am Valentinstag in Griechenland und dann geht's wieder zurück in die Staaten.
partyausfall.de: Und wie sehen eure weiteren Pläne für 2011 aus?
John Henry (DH): Direkt im Anschluss an diese Eurotour werden wir die Atticus Metal Tour in den Staaten spielen. Das wird sicherlich ein ziemliches Fest werden. Neben einer ganzer Menge anderer Bands sind auch Born of Osiris mit auf dieser Tour dabei ...
partyausfall.de: Es steht euch also wieder ein Tourmarathon bevor?
John Henry (DH): Ja, genau, das ist wieder eine komplette US-Tour. Da dann die neue Platte schon draußen sein wird, spielen wir wahrscheinlich zwei neue Songs auf dieser Tour.
partyausfall.de: Die neue Platte wird ja bei einem anderen Label rauskommen, nicht wahr?
John Henry (DH): Ja, auf eOne. Das steht für Entertainment One. Früher hießen die Koch Records, aber dann haben sie aus irgendeinem Grund den Namen geändert. Ich weiß auch nicht warum.
partyausfall.de: Aber das ist ein Indie-Label, oder?
John Henry (DH): Ja, auf jeden Fall. Das ist kein Majorlabel oder so etwas. Sie machen auch einen Vertrieb unter demselben Namen. Auf jeden Fall ist es ein fantastisches Label, das uns sehr gut behandelt. Es ist die erste Platte, die wir mit ihnen machen. Wir waren ja vorher bei Victory und hatten einen Vertrag über viel zu viele Platten bei denen unterschrieben. Mit eOne läuft aber alles hervorragend bis jetzt. Sie geben sich sehr viel Mühe mit uns und versuchen alles genau zu timen, damit die Veröffentlichung des Albums genau auf die Touren und all das abgestimmt ist. Bis jetzt also Daumen hoch für eOne. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihnen.
partyausfall.de: War der Wechsel zu eOne eigentlich eine bewusste Entscheidung von euch?
John Henry (DH): Ja, auf jeden Fall. Wir hatten verschiedene Optionen, nachdem unser Vertrag mit Victory Records ausgelaufen war. Zu diesem Zeitpunkt waren wir labeltechnisch völlig frei und konnten da unterschreiben, wo wir wollten. Bei eOne hatten wir ziemlich schnell den Eindruck, dass sie am besten zu uns passen würden. Sie zeigten halt von Anfang an viel Interesse und legten sich ziemlich ins Zeug.
partyausfall.de: Also lief euer Vertrag mit Victory über sechs Alben und dann ...
John Henry (DH): Hmm, bei Victory hatten wir für fünf Alben unterzeichnet. Unsere erste Platte, "Mark of the Judas", war auf ein paar anderen Labels.
partyausfall.de: ... hmm, und nachdem so ein Vertrag ausläuft, könnt ihr quasi nach einem anderen Label Ausschau halten, wenn ihr nicht bei dem bisherigen bleiben wollt?
John Henry (DH): Ja, genau so läuft das. Wir hatten halt für mehrere Alben bei Victory unterschrieben ... Es ist halt nicht immer leicht, mit Victory Records zusammenzuarbeiten, und jede Band hat ihre eigenen Horrorgeschichten über dieses Label. Im Grunde haben sie null mit uns zusammengearbeitet.
partyausfall.de: Wie meinst du das? Zum Ende hin oder während eurer gesamten Zeit bei Victory?
John Henry (DH): Ach hör auf ... die wollten noch nicht mal mit unserem Manager reden, der diese ganzen Angelegenheiten für uns regelt. Die Leute von Victory versuchen halt, dich einzuschüchtern und dich zu Sachen zu zwingen. Ganz eigenartige Geschäftsmanieren haben die Typen da. Aber eigentlich will ich da auch nicht zu viel drüber reden ...
partyausfall.de: Kein Problem. Ich will auch keine dreckigen Geheimnisse aus dir herauskitzeln oder so.
John Henry (DH): Okay. Lästern ist nämlich nicht so mein Ding ... am Ende hat es halt nicht mehr funktioniert und Punkt.
partyausfall.de: Okay, ist ja eh Vergangenheit. Lass uns etwas über die neue Platte sprechen: Was können die Leute von eurer siebenten LP erwarten?
John Henry (DH): Hmm, also ich glaube, dass alle in der Band diese Platte als eine der entscheidenden Scheiben unserer Karriere ansehen, durch die wir uns in gewisser Weise auch neu definieren. Wir sind alle überglücklich mit dem Ergebnis, und ich denke tatsächlich, dass "The Human Romance" eine prägende Platte für Darkest Hour ist. Sie kombiniert einfach alle Bestandteile unseres bisherigen Sounds in einem neuen Gewandt: Die epischen Elemente der "Undoing Ruin"-Epoche kehren zusammen mit dem musikalischen Anspruch jener Zeit zurück. Es gibt wieder mehr von diesen zugänglicheren, schönen Parts, die uns immer ausgemacht haben. Insgesamt ist die Scheibe auch viel dynamischer als die letzte Platte. Im Gegensatz dazu war "The Eternal Return" einfach nur eine Aneinanderreihung durchweg schneller und aggressiver Heavy-Stampfer, eine richtige Aggro-Platte halt. Ziemlich aggressiv und angepisst - vielleicht sogar eindimensional in gewisser Weise. Die neuen Aufnahmen sind überhaupt nicht so, sondern haben eher einen strahlenden und epischen Charakter. Wer diese Platte nicht mag, wird wahrscheinlich grundsätzlich nichts mit Darkest Hour anfangen können.
partyausfall.de: Gut, dass du das erwähnst, es gibt da nämlich ein Zitat von Mike (Mike Schleibaum, Gründungsmitglied und Rhythmusgitarrist): "The Eternal Return wurde in einer sehr dunklen und trostlosen Zeit unserer Bandgeschichte geschrieben." Bezieht sich das auf die Situation mit Victory Records?
John Henry (DH): Ja, ich denke schon. Das war halt gegen Ende unserer Beziehung mit Victory, als so fast überhaupt nichts mehr ging und sie uns nicht mehr wirklich unterstützt haben. Sie haben für diese Platte keinen Finger krumm gemacht, weil sie ja wussten, dass wir nicht bei ihnen bleiben würden. In gewisser Weise war das von Beginn an eine Totgeburt: Uns war klar, dass sich Victory einen Scheiß um diese Platte kümmern würde.
partyausfall.de: Es ging also bloß darum, noch diese eine Platte rauszuhauen und dann etwas Neues zu beginnen?
John Henry (DH): Genau ... daher kam wahrscheinlich diese "Dunkelheit" aus dem Zitat.
partyausfall.de: Für "The Human Romance" habt ihr nicht wie bei der Platte davor mit Brain McTernan sondern mit einem neuen Produzenten zusammengearbeitet, nicht wahr?
John Henry (DH): Ja, genau. Brian McTernan und sein Partner aus Baltimore haben die neue Platte aber abgemischt. Aufgenommen haben wir sie allerdings mit Peter Witchers von Soilwork, der ein super Produzent und ein unglaublicher Gitarrist ist. Besonders bei den Saiteninstrumenten konnte er eine ganze Menge beisteuern und war bei den Aufnahmen der Gitarrenspuren auch sehr akribisch. Er wollte, dass alles perfekt ist. In dieser Beziehung war die Arbeit mit ihm schon mal der Hammer. Außerdem hatte er auch viele gute Ideen - nicht so sehr, was die eigentlichen Songstrukturen angeht, sondern eher so kleine Tipps und Tricks hier und da, wie eine Minipause an dieser oder jener Stelle ... solche Sachen eben. Wenn man als Band an einem Album arbeitet, ist es immer gut, noch eine Person zu haben, die sich die ganze Sache von außen anschaut und Verbesserungsvorschläge einbringt. Mit Peter war das eben eine sehr gute Kombination, sehr gute Teamarbeit.
partyausfall.de: Ich setze dir jetzt noch ein Zitat von Mike vor, weil er irgendwie auch die meisten Interviews für Darkest Hour macht ...
John Henry (DH): Ja, klar. Mike ist der Interviewmensch in der Band. Er labert sehr gern ...
partyausfall.de: Jedenfalls sagte er über das neue Album, dass es eine "erwachsene Version" von DARKEST HOUR wäre. Wie ist das gemeint?
John Henry (DH): Ich glaube er meint das im Vergleich zu unseren früheren Sachen, die wir teilweise noch als Kids geschrieben haben. Da haben wir nicht sonderlich viel beim Songwriting nachgedacht. Wenn wir jetzt zum Beispiel bei der Probe Lieder von den alten Platten spielen, kommt es schon mal vor, dass wir uns fragen, warum da ein aus heutiger Sicher besonders blöder Teil vier Mal im Song wiederholt wird. Irgendwann haben wir damit begonnen, Lieder zu bearbeiten - so wurden Strophen und Refrains gekürzt, Parts rausgeschmissen und alles gestrafft und kompakter gemacht. Als wir die geänderten Songs dann live ausprobierten, hat's keiner bemerkt. Wahrscheinlich sind die Lieder jetzt in einer Form, in der sie schon zu Anfang hätten sein sollen. Als Kids waren wir halt so: "Oh ja, der Part ist der Hammer. Komm, den spielen wir noch mal." Nachdem wir die ganze Geschichte jetzt aber schon so lange machen und mit der Band gewachsen sind, sehen wir eine Platte mittlerweile eher als ein großes Ganzes an. Alle Songs auf einem Album müssen Teil dieses großen Ganzen sein und sich auch von der Stimmung her einfügen. So gab es auch einige Lieder für die neue Platte, die wir am Ende rausgeschmissen haben, weil sie einfach nicht den richtigen Vibe hatten. Fuck, was wollte ich eigentlich sagen? Ich glaube, ich hab mich etwas verrannt ...
partyausfall.de: Du hattest angefangen zu erklären, wie ihr Songs damals geschrieben habt und wie ihr das heute macht ...
John Henry (DH): Ah, ja. Ganz offensichtlich sind wir doch noch nicht so "erwachsen", wie wir meinen. Zumindest weiß ich ja noch nicht mal, worüber ich gerade spreche ... hahaha.Was ich dazu noch sagen wollte: Heute schauen wir auf die Songs als Ganzes und nicht mehr so sehr auf einzelne Parts. Unser Songwriting hat sich einfach weiterentwickelt.
partyausfall.de: Und eure technischen Fähigkeiten auch, oder?
John Henry (DH): Ja, das auch. Auf jeden Fall. Das Zeug von den neuen Alben ist viel schwerer zu spielen als unsere ersten Songs, keine Frage. Wenn man so lange mit den gleichen Leuten Musik macht und eine gewisse Methodik beim Songwriting entwickelt, dann ist das wie mit anderen Sachen auch: Je öfter du es machst, umso besser wirst du.
partyausfall.de: Mit "erwachsen" meint ihr also keine rockigere oder softere Version von Darkest Hour?
John Henry (DH): Nein, kein Easy Listening. Wir werden nicht leiser und ruhiger, nur weil wir etwas älter sind.
partyausfall.de: Im Laufe eurer Karriere habt ihr ja den Wandel in der Musikindustrie miterlebt - auch wenn ihr mit euren Punk- und HC-Wurzeln nicht unbedingt Teil dieser Musikindustrie seid bzw. wart. Worauf ich hinaus will ist der Wechsel von Vinyl über CD bis hin zu MP3 und ähnlichen Dateiformaten und alles, was damit einhergeht. Ich habe mit mal eure Verkaufszahlen angeschaut:
- 2005 ist "Undoing Ruin" auf Platz 138 der Billboard Charts eingestiegen und hat 8.484 Exemplare in der ersten Woche verkauft
- 2007 landetet "Deliver Us" auf Platz 110 mit 6.600 verkauften Kopien
- 2009 schaffte es "The Eternal Return" auf Platz 104 mit 4.700 verkauften Platten in der erste Woche
partyausfall.de: Jo, kann man wohl sagen. Ich bin 34 geworden letzte Woche und weiß ganz gut, was du meinst. Was ich aber eigentlich wissen wollte, war, was diese Verkaufseinbrüche für eine Vollzeitband wie Darkest Hour bedeuten. Das ist ja schließlich euer Job. Gut, ihr habt immer noch die Touren, mit denen man heutzutage sicher mehr Geld macht als damals, oder?
John Henry (DH): Ja, das Touren war schon immer lukrativer als die Plattenverkäufe, auch wenn du nie wirklich viel Kohle damit machst. Das Ding mit Touren ist halt, dass es heutzutage so viele Bands gibt, unglaublich viele Bands eigentlich, die auch alle auf Tour gehen. Im Vergleich zu unseren Anfangstagen ist das eine unglaubliche Masse. Die Kids werden richtig überflutet von einem unglaublichen Angebot an Touren und Konzerten. Wenn du in einer der Metropolen wohnst, kannst du an jedem beliebigen Wochenende bis zu zehn oder 20 Shows des gleichen Genres sehen. Da tritt natürlich eine gewisse Übersättigung ein. Für uns ist das aber ein wenig wie Ebbe und Flut, weißt du? Sicher gibt es auch Orte, wo richtig viele Kids zu unseren Konzerten kommen aber auch Städte, wo sich das von einer Tour zur nächsten ändert ... aber wir spielen auch Shows, wo wenig Leute kommen. Es schwankt immer ein bisschen, trotzdem war es bisher immer konstant genug für uns, und wir haben jede Menge tolle Konzerte. Uns reichen schon ein paar hundert Leute aus, um eine geile Show zu spielen. Klar, 1.000 Leute sind super, aber auch mit 300 oder 400 Kids im Publikum sind die Konzerte toll.
partyausfall.de: Ihr habt also nicht dieses Metallica-Ding laufen und sagt euren Fans, dass sie eure Alben nicht runterladen sollen?
John Henry (DH): Nein, nein, nein ... gar nicht. Wenn du versuchst, dagegen anzukämpfen, wirst du dich unweigerlich in ein Arschloch verwandeln. Es ist vollkommen sinnlos. Das wird nicht das Geringste ändern. Jeder kann heutzutage ein Album umsonst herunterladen, sodass jegliche Maßnahmen dagegen zum Scheitern verurteilt sind. Es ist einerseits ja auch cool, weil die Leute neue Sachen hören können. Ich hoffe nur, dass die Leute nicht ... naja, weißt du, ich kaufe mir auch hin und wieder eine CD oder eine Platte. Eigentlich eher Platten, weil ich Vinyl mag und zu Hause eher Vinyl höre. Ich hoffe halt nur, dass der ein oder andere sich auch das Album kauft, weil es einfach cool ist, auch das Artwork zu haben oder die Texte, wenn dich das interessiert, und so.
partyausfall.de: Es ist auch so eine Art Anerkennung für die Anstrengungen der Band, findest du nicht?
John Henry (DH): Ja, auf jeden Fall. Es hilft einfach auch der Band. Wenn man eine Band mag, sollte man die auch unterstützen, denke ich.
partyausfall.de: Was ich schon immer mal wissen wollte, ist, wo ihr euch in fünf oder zehn Jahren seht. Ich meine, ihr macht die Band ja hauptberuflich und seid alle schon über 30, oder?
John Henry (DH): Ja, bis auf Lonestar - unser neuer Gitarrist, der mit bürgerlichem Namen Mike Carrigan heißt und mit 26 Jahren das Baby der Band ist - sind alle mittlerweile über 30.
partyausfall.de: Denkt ihr manchmal daran, was in einigen Jahren sein wird?
John Henry (DH): Also planen kann man da so gut wie gar nichts. Wie ich vorhin schon meinte, liegt es bei einer Band wie Darkest Hour in der Natur der Sache, dass sich ständig alles verändert und vielen Schwankungen unterworfen ist. Von daher ist es unglaublich schwierig, eine Prognose für die Zukunft abzugeben. Auf die Frage, wo wir in fünf Jahren sind, muss ich antworten: Ich weiß es nicht. Wenn wir in fünf Jahren eine Tour machen und nur in den letzten Läden spielen und uns niemand sehen will; oder wenn wir uns dann wie Scheiße anhören oder einfach nur mies drauf und bettelarm sind, dann würden wir wahrscheinlich das Handtuch werfen. Wenn es uns allerdings dann immer noch Spaß macht, geht's weiter ... wir setzen uns da keine Grenzen.
partyausfall.de: Gut zu wissen, dass es weitergeht. Heutzutage kommen ja immer mehr Bands auf Tour, die mit euch oder vor euch anfingen, sich dann auflösten und nun Reunion-Tours machen. Ich hab da schon alle möglichen Gruppen gesehen wie Youth Of Today, Gorilla Biscuits, Unbroken, Damnation AD und so weiter ...
John Henry (DH): Ja, das ist echt Wahnsinn. Als Mike und ich die Band 1995 anfingen, war Damnation AD einer unserer größten Einflüsse, weil das auch einfach die bekannteste Band in Washington DC war. Die ganz alten Sachen von Darkest Hour waren auch kein schneller Metal - wir haben uns überhaupt nicht wie Thrash-Metal oder Melodic-Death-Metal angehört, sondern eher so wie langsamer metallischer Hardcore der Neunziger ... so wie Damnation AD eigentlich. Wir haben halt nur so Zeug gehört und hielten Damnation AD einfach für den Überhammer. Was sage ich? Sie waren der Überhammer!
partyausfall.de: Oder Worlds Collide vorher, wo der Gitarrist von Damnation AD gespielt hat ...
John Henry (DH): Ja, genau, Worlds Collide, und er war ja auch bei Battery. Mike hat auch mal für kurze Zeit bei Battery gespielt.
partyausfall.de: Ich weiß, und ihr habt auch einen Song von Battery gecovert ...
John Henry (DH): Genau, "Go back to the gym".
partyausfall.de: Das war auch eine meiner Fragen: Da ihr ja alle in DC wohnt, außer euer Gitarrist ... der kommt aus Texas, oder?
John Henry (DH): Ja, der ist aus Texas und wird Texas auch nie in seinem Leben verlassen. Glaub ich zumindest nicht.
partyausfall.de: Und der kommt für Bandgeschichten hoch nach DC?
John Henry (DH): Genau. Ich lebe ja selbst auch in Kalifornien jetzt. Wir sind über die ganze USA verteilt. Mike lebt noch in DC aber Ryan und Paul wohnen beide in Richmond, Virginia. Das ist so zwei Stunden von DC entfernt.
partyausfall.de: Dann habt ihr also nicht wirklich was mit der DC-Szene zu tun, außer vielleicht Mike, oder?
John Henry (DH): Ja, Mike schon noch am ehesten. Ich habe auch zehn Jahre in DC gelebt, von 97 bis 2007. Dann bin ich für eine kurze Zeit nach New York gezogen und wohne jetzt in Kalifornien. Aber ich kenne da auch noch viele Leute.
partyausfall.de: Meine Frage zu diesem Thema lautet eigentlich: Ist das richtig, dass Darkest Hour zwar immer als eine Band aus DC aber nie als DC-Band angesehen wurde, weil ihr mit Frodus, Battery und diesen anderen Bands eine eigene Szene abseits von Dischord, Fugazi und so weiter hattet?
John Henry (DH): Ja, es gibt und gab da definitiv diese Trennung. Mittlerweile haben wir da schon auch Bekannte. Ich nicht so sehr, aber Mike kennt ein paar von diesen Dischord-Leuten und so. Wir haben aber nie Shows mit diesen Bands zusammengespielt, weil es immer diese komische Grenze zwischen uns gab. Ich weiß eigentlich gar nicht so recht, warum das so war. Ich glaube, wir haben auch niemals wirklich versucht, diese Kluft zu überwinden. Andere Bands haben das getan, aber wir waren ganz zufrieden in dem Umfeld, wo wir waren. Wir haben unser Ding in Virginia gemacht, unsere eigenen Shows organisiert und unsere eigene kleine Szene aufgebaut. Das war toll damals: Battery und Damnation AD waren die Flagschiffe bei uns, die beiden großen Hardcore-Bands unserer Gegend. Dann gab es da noch uns und einen Haufen anderer Bands wie Majority Rule, Page 99 und so weiter. Keine Ahnung, warum wir nie so richtig mit der Dischord-Szene zusammengekommen sind. Wahrscheinlich mochten sie unsere Musik nicht so wirklich ... hahaha
partyausfall.de: Ja, von der Musik her ist es schon eine andere Welt ...
John Henry (DH): Auf jeden Fall. Ich meine, Dischord fing zwar als Hardcore/Punk-Label an mit Minor Threat und so Geschichten, aber später wurde der Sound des Labels immer experimenteller und indie-rockiger. Von daher erscheint es auch logisch, dass sie sich samstagabends nicht gesagt haben: "Hey, kommt Leute, wir schauen uns heute Damnation AD und Darkest Hour in der Annandale Baptist Church an."
partyausfall.de: Macht ihr neben Darkest Hour noch irgendwelche anderen Sachen? Projekte, Zweitbands oder so?
John Henry (DH): Ja, alle von uns arbeiten irgendwie auch noch an anderen Sachen. Ryan hat da eine Sologeschichte, mit der er ab und an tourt. Die Band heißt Ghastly City Sleep, da spielt Brandon von City of Caterpillar und Page 99 mit. Das ist so ein ruhiges Projekt, vielleicht ein wenig Richtung Radiohead, aber es ist schwer zu beschreiben. Jedenfalls sind sie großartig. Mike ist in einer Band namens Beast of No Nation, die sind auch super. Da spielt Jason von Trial by Fire mit, ein langjähriger Freund von mir. Paul arbeitet auch hier und da an Sachen, aber er hat auch ein Kind, was natürlich eine ganze Menge Zeit in Anspruch nimmt. Ich hab auch ein paar Sachen, an denen ich arbeite, aber die sind noch nicht reif für die Öffentlichkeit, hahaha ... Lonestar hat alle möglichen Projekte laufen. Alle arbeiten also auch noch an anderen Sachen, aber Darkest Hour ist definitiv die Hauptband für alle von uns.
partyausfall.de: Was mich auch schon immer interessiert hat, ist, ob es da noch ein übergeordnetes Ziel, quasi die eine Sache gibt, die du mit Darkest Hour erreichen willst?
John Henry (DH): Das ist schwer zu sagen. Wenn man in so einer Band ist, setzt du dir halt Ziele und arbeitest daran, sie umzusetzen. Irgendwann erreichst du sie und dann willst du irgendwie mehr und setzt dir neue Ziele. Als wir mit der Band anfingen, war unser größter Traum, mal auf Tour zu gehen. Ganz am Anfang war es eigentlich der Wunsch, einmal als Vorband für irgendeine dieser HC-Gruppen aus den Neunzigern zu spielen. Das wurde dann irgendwann Wirklichkeit. Danach wollten wir versuchen, eine Show außerhalb unserer Heimatstadt zu spielen. Als wir das geschafft hatten, wollten wir touren. Später dann war es ein Plattenvertrag, der uns anfeuerte ... So ging das immer weiter. Die Band ist ja so eine Art Baby, das du zusammen mit diesen vier anderen Typen groß ziehst und für das du nur das Beste willst. Klar, und du willst mehr Platten verkaufen, deine Musik einem größeren Publikum näher bringen, vor mehr Leuten Konzerte spielen und so weiter. Das ist jetzt also alles passiert, und wir haben die ganze Welt bereist. Natürlich will man mal gerne mit Metallica spielen, hahaha, aber eigentlich sind wir auch sehr zufrieden mit dem, was wir im Hier und Jetzt haben. So etwas wie die eine Sache, die ich noch mit Darkest Hour erreichen will, gibt es eigentlich nicht. partyausfall.de: Okay, soviel zur Zukunft, jetzt zur Vergangenheit. Auf was bist du am stolzesten in Bezug auf die Band?
John Henry (DH): Eigentlich bin ich sehr stolz darauf, dass wir als Band es bis hierher geschafft haben und immer noch zusammen sind. Viele Bands schaffen das nicht und lösen sich irgendwann auf, aber wir haben schon 15 Jahre hinter uns. Allein die Tatsache, dass wir immer noch touren und nach wie vor verdammt viel Spaß mit der Band haben, macht uns in meinen Augen schon ziemlich erfolgreich. Auch der Fakt, dass wir die ganze Welt gesehen haben und so viele unterschiedliche Kulturen erleben und Leute kennenlernen konnten, macht mich stolz.
partyausfall.de: Gibt es auch rückblickend auch so etwas wie Fehler in Eurer Karriere?
John Henry (DH): Ich würde sagen, Victory Records war definitiv ein Fehler. Ich denke, dass ich das jetzt klar sagen kann, da schon genug Zeit verstrichen ist. Das war definitiv ein riesiges Hindernis für das Vorankommen von Darkest Hour. Aber ich will nicht rumheulen, die Geschichte ist vorbei. Jetzt geht's nur noch volle Kraft voraus.
partyausfall.de: Okay, das war's von meiner Seite. Willst du noch irgendetwas hinzufügen?
John Henry (DH): Ja, also ich möchte allen Leuten danken, die dieses Interview lesen und uns als Band unterstützen. Checkt unsere neue Platte aus. Ich denke, dass ihr sie mögen werdet.
Bilder/Credits: Darkest Hour