MURDER CITY DEVILS - EVERYDAY I RISE 7
Nun gut, Reunions für Live-Konzerte und Festival-Gigs haben seit jeher einen faden Beigeschmack. Was für ein Glück also, dass MCD mit dieser Single zwei neue Songs als Quasi-Legitimation für ihre Auferstehung abliefern. Komplett in Eigenregie produziert, veröffentlicht und vertrieben, ist die "Everyday I Ride" 7" zwar kein neuer musikalischer Höhepunkt in der Bandgeschichte, ihr Geld aber allemal wert. Klassischer Midtempo-Garagenpunkrock mit sinisterer Kante, melancholischen Melodien und dem wunderbar kratzigen Heulgesang von Spencer Moody. Wer die Murder City Devils mag, wird also definitiv auf seine Kosten kommen. Der Titelsong hat es jetzt schon auf meinen August-MiniDisc-Sampler geschafft. Like. Like. Like.Label: DIY-Release der Band
Extra: Farbiges Vinyl (meine is rosa) mit spartanischem Cover. Keine Bilder, yeah!
Note: Als Quasi-Legitimation für ihre Auferstehung mehr als tauglich.Nun zum ersten Teil der in der letzten Kolumne versprochenen Story:
Ein sonniger Samstagnachmittag im August: Ich bin zu Besuch in der Deutschlandzentrale des schlechten Geschmacks und schlendere mit einer lokalen Szenegröße durch die größte Mall am Platz, um Berufsbekleidung für den Herrn zu kaufen. Allee-Center heißt die Location -- wer sie kennt, der fürchtet sie. Nachdem wir uns einen etwas lieblos servierten Teller "Reis mit Sche**" beim Inder der Wahl einverleibt haben, steuern wir ein Ladengeschäft an, das exklusive Markenhemden für Sie und Ihn verkauft und geben dort das selbstbewusste (Homo)Pärchen. "Das schwarze steht dir formidabel, Schatz, aber vielleicht probierst du noch mal das karierte Slim-Fit. Da kommt dein Body besser zur Geltung", liegt mir auf der Zunge, aber die Verkäuferin ist auch so schon verwirrt genug und bringt ein aufs andere Mal die verschiedenen Kollektionen durcheinander. Nach dem Pflichteinkauf gehen wir zur Kür über: sinnfreies Rumcruisen durch die heiligen Hallen des Magdeburger Konsumtempels inklusive nicht enden wollender Lästerattacken über Style und Verhalten der Locals. Irgendwann bleibt uns nur noch das Erdgeschoss, wo sich ein Laden mit dem ostalgie-verdächtigen Namen "Delikat" befindet. Angeboten wird dort das Standard-Outfit für den 08/15-MD-City-Proll mit Hang zu urbanem Lifestyle, sprich: irgendwie HipHop, irgendwie Tekkkno aber styletechnisch auch irgendwie zwischen Fishbone und Jetlag. Nicht ganz mein Ding eigentlich, aber ich geh ich trotzdem rein, während meine Begleitung mir eine abfällige Bemerkung reindrückt und vor der Tür wartet.
Ohne den Blick zu heben, steuere ich schnurstracks auf das Schuhregal im hinteren Teil des Ladens zu, denn bei Sneakers kann selbst der planloseste Provinz-Einzelhandelskaufmann nicht viel verkehrt machen. Meine Augen sind fest auf das Muster der Auslegware fixiert. Bloß nicht hochschauen! Irgendwie hab ich in Magdeburg immer Angst, an solchen Orten unliebsame "ghosts from the past" zu treffen. Gequälte Gespräche über Familiennachwuchs, Hausbau, Zweitwagen und Garten sind bekanntlich nicht so mein Ding. Also kurz die Nike Air und die Adidas Torsion gecheckt (zu teuer und nur Kackfarben) und Rückmarsch durch die Klamottenauslagen angetreten. Auf halber Strecke schaue ich dann doch mal hoch, weil mich eine Verkäuferin anquatscht: "Suchst du etwas bestimmtes?" Ich hasse das. Nein, ich renne hier mit gesenktem Kopf rum, weil mich euer Klamottensortiment so anturnt. Wo sind sie nur hin, die Zeiten, in denen man noch anonym durch die Geschäfte latschen konnte, ohne mit derartigen Fragen behelligt zu werden?! Mittlerweile werden Typen wie ich selbst im Mutterhaus des anonymen Konsums (sprich: in meinem geliebten Karstadt) beim Gang durch die Geschirr- und Besteckabteilung angequatscht. Nein, ich interessiere mich nicht für WMF-Topfsets, sondern will hier einfach nur in Ruhe rumlatschen. Schreckliche Entwicklung das. Aber: egal. Ich schenke der Verkäuferin ein müdes Lächeln und ringe mir ein "Nein, ich gucke nur mal so" ab. Glatt gelogen, logisch. Denn ich gucke null.
Als der Ausgang nur noch zehn Schritte entfernt ist und ich den Restweg scanne, sichte ich an einem dieser Rundständer eine Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Instinktiv überlege ich einen Moment lang, einfach wegzuschauen und mich an ihr vorbeizuschleichen - der klassische "Ich-kenne-dich-zwar-irgendwie-tu-aber-so-als-hätte-ich-dich-nicht-gesehen-Trick" halt. Das muss eine Sinnestäuschung sein, das muss eine Sinnestäuschung sein, das muss eine gottverdammte Sinnestäuschung sein!!!, schießt es mir durch den Kopf, denn die Person passt ganz und gar nicht in dieses Setting. Mehr noch: eigentlich ist es unmöglich, dass ich sie an diesem Ort - einem Klamottenladen für 14- bis 19-jährige FCM-Prolls - antreffe. (Eigentlich ist es sogar unmöglich, dass ich selbst hier bin, aber egal.) Nach einem zweiten prüfenden Blick bin ich mir dann aber sicher: Keine Sinnestäuschung, die Frau ist echt! Sofort beginne ich innerlich zu feiern, gehe auf die Dame zu und beginne ein Gespräch ...
Links: www.themurdercitydevils.com
Extra: Farbiges Vinyl (meine is rosa) mit spartanischem Cover. Keine Bilder, yeah!
Note: Als Quasi-Legitimation für ihre Auferstehung mehr als tauglich.Nun zum ersten Teil der in der letzten Kolumne versprochenen Story:
Ein sonniger Samstagnachmittag im August: Ich bin zu Besuch in der Deutschlandzentrale des schlechten Geschmacks und schlendere mit einer lokalen Szenegröße durch die größte Mall am Platz, um Berufsbekleidung für den Herrn zu kaufen. Allee-Center heißt die Location -- wer sie kennt, der fürchtet sie. Nachdem wir uns einen etwas lieblos servierten Teller "Reis mit Sche**" beim Inder der Wahl einverleibt haben, steuern wir ein Ladengeschäft an, das exklusive Markenhemden für Sie und Ihn verkauft und geben dort das selbstbewusste (Homo)Pärchen. "Das schwarze steht dir formidabel, Schatz, aber vielleicht probierst du noch mal das karierte Slim-Fit. Da kommt dein Body besser zur Geltung", liegt mir auf der Zunge, aber die Verkäuferin ist auch so schon verwirrt genug und bringt ein aufs andere Mal die verschiedenen Kollektionen durcheinander. Nach dem Pflichteinkauf gehen wir zur Kür über: sinnfreies Rumcruisen durch die heiligen Hallen des Magdeburger Konsumtempels inklusive nicht enden wollender Lästerattacken über Style und Verhalten der Locals. Irgendwann bleibt uns nur noch das Erdgeschoss, wo sich ein Laden mit dem ostalgie-verdächtigen Namen "Delikat" befindet. Angeboten wird dort das Standard-Outfit für den 08/15-MD-City-Proll mit Hang zu urbanem Lifestyle, sprich: irgendwie HipHop, irgendwie Tekkkno aber styletechnisch auch irgendwie zwischen Fishbone und Jetlag. Nicht ganz mein Ding eigentlich, aber ich geh ich trotzdem rein, während meine Begleitung mir eine abfällige Bemerkung reindrückt und vor der Tür wartet.
Ohne den Blick zu heben, steuere ich schnurstracks auf das Schuhregal im hinteren Teil des Ladens zu, denn bei Sneakers kann selbst der planloseste Provinz-Einzelhandelskaufmann nicht viel verkehrt machen. Meine Augen sind fest auf das Muster der Auslegware fixiert. Bloß nicht hochschauen! Irgendwie hab ich in Magdeburg immer Angst, an solchen Orten unliebsame "ghosts from the past" zu treffen. Gequälte Gespräche über Familiennachwuchs, Hausbau, Zweitwagen und Garten sind bekanntlich nicht so mein Ding. Also kurz die Nike Air und die Adidas Torsion gecheckt (zu teuer und nur Kackfarben) und Rückmarsch durch die Klamottenauslagen angetreten. Auf halber Strecke schaue ich dann doch mal hoch, weil mich eine Verkäuferin anquatscht: "Suchst du etwas bestimmtes?" Ich hasse das. Nein, ich renne hier mit gesenktem Kopf rum, weil mich euer Klamottensortiment so anturnt. Wo sind sie nur hin, die Zeiten, in denen man noch anonym durch die Geschäfte latschen konnte, ohne mit derartigen Fragen behelligt zu werden?! Mittlerweile werden Typen wie ich selbst im Mutterhaus des anonymen Konsums (sprich: in meinem geliebten Karstadt) beim Gang durch die Geschirr- und Besteckabteilung angequatscht. Nein, ich interessiere mich nicht für WMF-Topfsets, sondern will hier einfach nur in Ruhe rumlatschen. Schreckliche Entwicklung das. Aber: egal. Ich schenke der Verkäuferin ein müdes Lächeln und ringe mir ein "Nein, ich gucke nur mal so" ab. Glatt gelogen, logisch. Denn ich gucke null.
Als der Ausgang nur noch zehn Schritte entfernt ist und ich den Restweg scanne, sichte ich an einem dieser Rundständer eine Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Instinktiv überlege ich einen Moment lang, einfach wegzuschauen und mich an ihr vorbeizuschleichen - der klassische "Ich-kenne-dich-zwar-irgendwie-tu-aber-so-als-hätte-ich-dich-nicht-gesehen-Trick" halt. Das muss eine Sinnestäuschung sein, das muss eine Sinnestäuschung sein, das muss eine gottverdammte Sinnestäuschung sein!!!, schießt es mir durch den Kopf, denn die Person passt ganz und gar nicht in dieses Setting. Mehr noch: eigentlich ist es unmöglich, dass ich sie an diesem Ort - einem Klamottenladen für 14- bis 19-jährige FCM-Prolls - antreffe. (Eigentlich ist es sogar unmöglich, dass ich selbst hier bin, aber egal.) Nach einem zweiten prüfenden Blick bin ich mir dann aber sicher: Keine Sinnestäuschung, die Frau ist echt! Sofort beginne ich innerlich zu feiern, gehe auf die Dame zu und beginne ein Gespräch ...
Links: www.themurdercitydevils.com
Bilder/Credits: www.themurdercitydevils.com