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Ich mag die Briten von Napalm Death eigentlich ganz gerne, kann mir ihre Musik aber nicht wirklich oft anhören. Früher war das anders. Kurz nach der Wende bin ich mit meinen Eltern oft in den Westen gefahren. Nach Helmstedt. Westsachen einkaufen. Ganz toll. Irgendwann hab ich mich auf einem dieser Trips in so einen CD-Laden geschlichen, um mir was für meine paar Westmärker zu kaufen. Ich hatte zu der Zeit keine Ahnung von gar nix und kannte nur Bandnamen aus der Visions - damals noch ein recht vernünftiges Magazin - und von Mixtapes. Auf jeden Fall kramte ich in dem Landen die CD-Regale durch und hielt irgendwann drei Scheiben in den Händen: Mudhoney, Sonic Youth und Napalm Death. Die Entscheidung fiel recht fix: Mudhoney war Grunge, ergo Scheiße, und Sonic Youth hatte ich bereits auf Tape. Übrig blieb die "Harmony Corruption" von Napalm Death: herrlich fieses Cover und die brutalste Mucke, die ich je gehört hatte. Genau das Richtige mit dreizehn. Ich hab Napalm Death dann noch ein paar Alben lang die Treue gehalten, aber irgendwann war dann auch mal gut mit dem Grindcore-Gerülpse. Jetzt begegne ich den Anarcho-Punks aus Birmingham nach vielen Jahren also auf dieser Split-Single wieder. Der erste Song heißt "Will By Mouth" und zeigt in 1'26, dass die Herren immer noch richtig hinlangen können: Blastbeats ohne Ende, heavy-aber-doch-punkige Gitarrensalven und obendrauf das Gurgeln-Slash-Rülpsen von Barney. Sehr schön. Beim zweiten Song machen die Veteranen dann gleich drei Sachen, die sie sonst nicht machen: "No Impediment To Triumph" ist ein langsamer, rhythmisch vertrackter Song mit melodischer Gitarrenarbeit. Würde nicht Napalm Death draufstehen, hätte ich's nicht erkannt. Für Diehard-Fans sicherlich ein Graus. Hervorragend aber: das Thema der Lyrics! Lest selbst:
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Converge starten mit "No Light Escapes" - einem Stück, das aus der Aufnahmesession für ihre neue LP "All We Love We Leave Behind" stammt und in 53 Sekunden klarstellt, wer die Herr im Ring sind. Oh Gott, wie ich diese Intensität, diese Raserei, dieses vermeintliche Chaos, das doch so aufgeräumt und wohldurchdacht ist, liebe! Ein Song - wie sollte es bei Bannon anders sein - über Liebe, Leben und Tod. Wunderschön und auch wunderschön hässlich. Wenn das eine Vorschau auf die neue LP ist, dürfen wir uns auf ein Hammeralbum gefasst machen, Leute! Zweiter Song hier ist ein Entombed-Cover, nämlich "Wolverine Blues", bei dem Bannon von Lindberg (Disfear, At The Gates), Turner (Isis), Baker (The Hope Conspiracy) und Izzi (Trap Them) Unterstützung erhält. Ein wenig Schade ist, dass das Stück musikalisch nicht wirklich in Converge-Manier verwurstet, sondern eher eins zu eins nachgespielt wurde. Trotzdem hervorragend als Soundtrack für die nächste Strafexpedition in den Weitlingkiez tauglich.
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Wie schon bei der Converge/Drop Dead Split 7" ist auf dem Cover eine nackte Frau mit Engelsflügeln zu sehen. Klar, es stellt sich langsam ein Serieneffekt ein, aber etwas langweilig find ich das immer noch. Ich habe gelbes Vinyl abbekommen (eins von 2.043 Exemplaren) - but who cares?! Fazit: Für Converge-Fanatiker wie mich eine 53 Sekunden lange Offenbarung mit ein paar netten Gimmicks drum herum. Für alle anderen ein Stück Plastik mit sechs Minuten Krach drauf. Genau so soll's auch sein!
Label: DIY-Release der Bands
Extra: Wieder ‘ne nackte Frau aufm Cover. Dieses Mal hält sie aber die Hand davor.
Note: Eine 53 Sekunden lange Offenbarung
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Zweiter Teil der "Delikat-Story":
"Tach, Muttchen!", sage ich zu der Frau. Der Sinnestäuschung. Meiner Mutter!
"Ach Â… hallo Sohnemann!", erwidert sie leicht verwirrt.
"Klamottenkaufen, oder was?"
"Ja, ähm, naja …", druckst sie rum und verdreht dabei die Augen.
"Nein, ich frage jetzt nicht, was du ausgerechnet in diesem Laden hier treibst."
"Kannste ruhig machen oder ist dir das etwa peinlich?", schießt sie zurück.
"Nö, überhaupt nicht. Ich find‘s einfach nur abgefahren, dass meine Mutter in Läden einkauft, deren Zielpublikum halb so alt ist wie ihr Sohn."
"Nun, das ist dann wohl ganz allein dein Problem, Sohnemann", knallt sie mir vor den Latz und ich muss erstmal schlucken. Einen Moment lang komme ich mir so vor, als wäre ich - und nicht meine Mutter - zu alt, um in diesem Laden einzukaufen (was eigentlich auch stimmt). Es ist eigentlich kaum zu fassen: Ich bin Ü-30, meine Mutter fast doppelt so alt wie ich und wir stehen in einem, nun ja, früher hätte man gesagt "Jugendmodeladen" und diskutieren darüber, wer hier wen "peinlich erwischt" hat. Und das alles in fucking Magdeburg. Im fucking Allecenter! Ich hole tief Luft und gehe zum Gegenangriff über:
"Nun sag schon, was du hier treibst, Mutti! Wollste mir heimlich ‘nen paar Nike Airs zum Kindertag kaufen, oder was soll die Nummer?"
"Nike Airs? Quatsch, ich gucke nach Sachen für mich … Ich finde diese schwarzen Teile von Bench hier ganz toll. Was meinst du? Soll ich die mal anprobieren?", fragt sie in vollem Ernst und hält dabei ein paar schwarze Fummel von - Jawohl, meine Damen und Herren, sie haben richtig gehört! - B.E.N.C.H. in die Höhe.
"Wie jetzt?! Du fragst mich, ob dir schwarze Schlabbertops von Bench stehen? Was kommt als nächstes? Soll ich mich neben die Umkleide setzen und Kommentare abgeben, während du hier das gesamte Teenager-Sortiment durchprobierst?!"
"Wieso denn nicht? Ist dir wohl doch peinlich, was?", meint sie trocken und fängt danach an, laut zu lachen. Nach ein paar Sekunden muss ich auch lachen. Über uns. Über mich.
"Ne, ne, passt schon, Mutti. Alles super. Ich bin mir nur gerade selbst peinlich. Probier einfach an, was du Bock hast und kauf dir was Schönes", ermutige ich sie und freue mich innerlich darüber, was für eine scheißcoole Mutter ich habe. Dann blicke ich mich möglichst unauffällig um, denn es ist höchste Zeit, meinen Abgang vorzubereiten. Ungesehen, versteht sich. "Ich muss jetzt echt weiter. Kumpel wartet draußen."
"Ja, ja, schon klar. Dann zisch ab."
"Okay, wir sehen uns dann heute Abend beim Essen Â…"
Links:
www.convergecult.com -
www.napalmdeath.org -
www.deathwish.com
Bilder/Credits: www.convergecult.com - www.napalmdeath.org - xSchmelzerx