[Review] VOIVOD - Target Earth

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mcflemmig
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[Review] VOIVOD - Target Earth

Beitrag von mcflemmig »

VOIVOD - Target Earth

VÖ: 18.01.2013
Label: Century Media (EMI)

Bild

Tracklist:
01. Target Earth
02. Kluskap O'Kom
03. Empathy for the Enemy
04. Mechanical Mind
05. Warchaic
06. Resistance
07. Kaleidos
08. Corps Étranger
09. Artefact
10. Defiance

Spieldauer: 56:42

Kaum eine Band kann auf eine ähnlich ereignisreiche Historie zurückblicken wie die Herrn um VOIVOD aus dem beschaulichen Quebec, Kanada. Unzählige LineUp-Wechsel zierten ihren Weg, teils aufgrund dramatischer Beweggründe wie dem unfallgeschuldeten Austritt von Originalbassist und Frontmann Eric Forrest (später übrigens zeitweise ersetzt durch Ex-Metallica Bassisten Jason Newsted) oder dem Tod des jahrelangen Masterminds Denis „Piggy“ D’Amour anno 2005, von dem sich die Band lange nicht zu erholen schien. Diese und weitere Umstände führten letztendlich dazu, dass VOIVOD stets zwischen den Extremen des Musicbuizz wandelten; an einen Tag noch im Vorprogramm Ozzy Osbournes die dicken Bühnen des Planten rockend, findet man sich am nächsten plötzlich niedergeschlagen in übel miefenden Metalspielunken wieder, um sich herum einzig verbleibend - der härteste des harten Kerns. Aber solche Tragödien rufen auch immer wieder Gedanken an bessere Zeiten auf, man besinnt sich alter Gefährten und erinnert sich glorreicherer Tage! Also entschloss man sich die Zeit der Trauer und Fehlschläge hinter sich zu lassen, sich am Schopfe zu packen und alte Kompetenzen neu zu ergänzen! Deshalb kam es wie es kommen musste und die überlebenden Mitglieder Denis „Snake“ Bélanger und Michel „Away“ Langevin taten sich wieder mit Bassist Jean-Yves „Blacky“ Thériault zusammen und VOIVOD schien bereit ihren mit Triumph und Niederlagen geschmückten Weg noch ein wenig fortzusetzen.

Nachdem man nun die Jahre zwischen 2006 und 2011 vornehmlich damit verbrachte „Piggys“ musikalisches Erbe zu vertonen, um sein Vermächtnis nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, schien es jetzt an der Zeit wieder selbst aus eigener Asche empor zu steigen und pünktlich zum 30 jährigen Jubiläum mit „Target Earth“ das Fortbestehen einer der wenigen wahren Institutionen die der progressive Metal noch hat zu feiern. Die einzige Frage war, auf welche Art und Weise neu Gitarrenoberhaupt Daniel "Chewy" Mongrain (MARTYR) es versteht, die Arbeit der mehr als nur bandprägenden Riffmaschine „Piggy“ fortzuführen.

Wer nun glaubt die Zeichen richtig deuten zu können, wer glaubt, dass Universum sei es VOIVOD nach all den Schicksalsschlägen einfach schuldig, Kraft und Inspiration für einen unvergesslichen Spätling zu bescheren, einen Spätling der sich vor genreprägenden Gewaltwerken wie "Dimension Hätröss" vergangener Tage nicht zu verstecken brauch und wer nun glaubt nach den ersten Pre-Releases im heiligen Internet schon voller Extase und purer Wollust Richtung Neuling schauen zu können, dem sei nur eines gesagt – er wird mit ‚Target Earth’ mit Nichten enttäuscht werden, denn hier präsentiertes Material ist traditioneller VOIVOD Sci-fi Metal at ist Best, mit all seiner Tiefe und Unheimlichkeit, mal rasend, mal stampfend, mal verstörend, mal erhellend!

Vom overspacigen Opener und Titeltrack „Target Earth“ über den schrägen „Kluskap O'Kom“, der sicherlich auch auf den altvorderen Scheiben seine Daseinsberechtigung gefunden hätte, geht es über den weniger aggressiv aber dafür herrlich swingenden Song „Empathy for the Enemy“ hin zu dem bereits ausgekoppelten Singletrack „Mechanical Mind“, welcher nicht nur den längsten, sondern auch schrägsten Song der Scheibe darstellt. Alle diese vier Eröffnungstrasher wissen auf unterschiedlichste Weise zu überzeugen und sind ganz nebenbei immer noch absolut VOIVOD. Gewohnt basslastig und hallend schräg geht es weiter mit progressiver Gitarrenkunst in „Warchaic“, dem wohl gewaltigsten Stück dieses interstellaren Ausflugs auf ‚Target Earth’, denn neben berserkenden, arhythmischen Zickzackgefrickel gibt es hier auch den ein oder anderen Moment zum inne halten, um dann wieder wild und ungestüm aus einsetzendem Verdruss gerissen zu werden.

Und immer wieder brechen kleine, technische Spielerrein das Szenario auf, welche aus jedem Song noch etwas mehr als das unmittelbar Hörbare herauskitzeln, und denjenigen denen besagte Spielerrein fehlen, ein gewisses Mehr an Straightness verleihen! Weiter geht es im fast schon klassischen Stil in „Resistance“ hin zu „Kaleidos“, eingeleitet mit einem herrlich röhrenden Bassintro und vollendet mittels eingängigsten Melodien, definitiv ein Hinkucker des Album, aber auch Überraschungshit „Corps Étranger “ hat einiges zu bieten – und dies, man höre und staune, gesungen im Französischen und dadurch schon fast den Charme eines alten Chansons versprühend, welches sich wohl dachte statt der hölzernen Laute lieber verzerrt-abgefuckte Klänge miteinander interagieren zu lassen. Mutig, gewagt, aber durchaus gefallend! Zum Ende hin mit „Defiance“ noch einen Appetizer für wahrscheinlich bald folgendes Material aufgetischt, kann man angenehm unterhalten letztlich nur neidlos konstatieren, dass es Mr. Chewy meisterhaft verstanden hat, den alten VOIVOD Urvater mittels eigenem Input gehaltvoll zu ergänzen.
Nichts Neues, aber auch nicht schlicht Altaufgewärmtes! Alt bewährtes Neues möchte man sagen, auf jeden Fall gelungen und keinesfalls in zu viel Nostalgie ertrinkend!

Fazit: Natürlich muss ich an dieser Stelle ehrlicherweise einräumen mit outerspacig-progressivem Sci-Fi Metaltrash nicht wirklich viel am Hut zu haben. Sicherlich wird nicht jedem die durchgängig schräg - fiktionale Grundattitüde des Langspielers zusagen, einige Songs ersticken förmlich an ihrer innovativen Verstricktheit und dem Anspruch Musik zu zaubern, die ihren Ursprung unmöglich im Terrestrischen zu haben scheint. Auch die Vocals von Frontmann „Snake“ geraten mit zunehmender Dauer in Gefahr nervender Eintönigkeit zu verfallen. Und trotzdem... es muss einfach neidlos die Ausgereiftheit und das ungemeine Kunststück gewürdigt werden, dass hier stets Sound am Rande der Perfektion komponiert und in absolut lebendigen Strukturen umgesetzt wurde, trotz seines nostalgischen Charakters! Bei wahren Fans von VOIVED muss sich hier einfach ein latentes Grinsen eingestellt haben, die Kinnlade ist offen, im Einzelfall fließt Sabber und der längst offene Hosenstall bewahrt die Lederhose vor drohender Zerberstung, denn auf diese Art war der Erstling der „Nach-Piggy“ - Ära nun wirklich nicht zu erwarten. Nach letzteren Ernüchterungen definitiv wieder ein Highlight im VOIVOD – Universum. Alte Eisen 2.0 und noch lange nicht am Limit, wohl eher an einem neuen Anfang!

8/10

Discographie
War and Pain, 1984
Rrröööaaarrr, 1986
Killing Technology, 1987
Dimension Hatröss, 1988
Nothingface, 1989
Angel Rat, 1991
The Best of Voivod (compilation), 1992
The Outer Limits, 1993
Negatron, 1995
Phobos, 1997
Kronik (compilation), 1998
Voivod Lives (live album), 2000
Voivod, 2003
D-V-O-D-1 DVD, 2005
Katorz, 2006
Infini, 2009
Tatsumaki: Voivod in Japan 2008 DVD, 2009
Warriors of Ice (live album), 2011
Mechanical Mind, 7” Single
Target Earth, 2013

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