VÖ: 12.10.2012
Label: Pelagic Records
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Tracklist:
01. Old Widow's Gloom
02. Athena
03. Iron Chest
04. Boundless Void
05. Eyes In the Night
06. Brimstone
07. Catharsis
08. Silver Decay
09. Shattered
10. Teal Trail
Spielzeit: 43:30 min
Nachdem sie die letzten 1-2 Jahre mit allerhand Prominenz (THE OCEAN, RED FANG, TORCH, SLEEP u.a.) die große weite Welt bereisten, schien es wohl langsam an der Zeit dem Erstling "Exit Eden" einen würdigen Nachfolger zur Seite zu Stellen. Gesagt, getan! Hinein ins heimische "Hidden Planet" Studio, privilegierter Weise mit Ex-THE OCEAN Drummer Jan Oberg den Studioschirmherrn als Frontmann am Start - was sollte den Berlinern EARTHSHIP bei ihrem Projekt "Iron Chest" eigentlich noch im Wege stehen?!
Ja, man ahnt es wohl schon, leider hinterließ unser unfassbar schnelllebiges Musikzeitalter auch hier seine Spuren, denn EARTHSHIP mussten zuvorderst den Ausstieg von Bassist Bastian Gutschke sowie den von Robin Staps, seines Zeichens Kopf der OCEANbande, in Kauf nehmen, was wohl vor allem fehlender zeitlicher Flexibilität geschuldet war. Doch zur Freude der stetig wachsenden Fangemeide konnten vermutlich jetzt eintretende Mängel bereits auf Tour aber auch auf vorliegender Platte qualitativ verlustfrei, und nun vor allem gendergerecht!, kompensiert werden. Der gemeine Hörer darf sich also durchaus erwartungsfroh dem aktuellen Riffgewitter des neuen Trios widmen, haderndes Zetern und bitterliches Tränen vergießen aufgrund verlorenem Humankapital... absolut unnötig!!
Denn bereits nach dem ersten Durchlauf kann zweifelsohne konstatiert werden, dass EARTHSHIP ihren stonersludge-geschwängerten Metal um ein vielfaches experimentierfreudiger aufstellen als noch in "Exit Eden" geschehen. Verstörende, teils mehrstimmige Gesänge, rockige Soli, ein unermüdliches Wechselspiel von polyrhythmischen und headbang-forcierender Gitarrenriffs - schwer, schleppend und absolut männlich (Frau Oberg möge mir dieses Gleichnis verzeihen, aber "sacklastig" wäre wohl auch eher unpassend gewesen) - mächtige Growls, die mich nicht selten an CROWBAR oder PANTERA erinnern lassen und hier und da immer wieder ein unerwartetes Break, eine kleine Spielerei, etwas Unvorhersehbares, quasi das, was aus einer Scheibe letzten Endes mehr macht, als dass man diese unter einem Genrebanner unterjochen könnte. Braucht man es aber trotzdem klar definiert und in einem passendem Label eingegliedert, dann würde ich es wohl versuchen als eine gekonnt mannigfaltige Eigeninterpretation sludgig, modernem Prog- sowie altem 70sRock - StonerMetal zu definieren, irgendwo zwischen BARONESS, CROWBAR, DOWN, TORCH, MASTODON und eben EARTHSHIP! So, das sollte jetzt nun wirklich keine Fragen mehr offen lassen..
Bereits der Opener offenbart diese Unzahl an musikalischen Stilmitteln sowie das unheimliche Engagement, welches die Band in Sachen Songwriting in die Waagschale hat legen müssen, denn einfach und schlicht ist schlicht anders. Von melodisch ausgerichteten Songs wie "Boundless Void", wild und ungestüm niederstampfenden Brechern wie "Old Widow"s Gloom" oder dem Shorttrack "Eyes in the Night", gechillt entspannten Nummern wie "Athena" oder "Silver Decay" oder den definitiven Favoriten des hier vortragenden Rezipienten "Catharsis" und "Teal Trail" (!!), die neben dicksten Grooves und Rumpfbeugeattacken auch fast alle weiteren Elemente in sich vereinen - unter dem Strich scheint auf "Iron Chest" nichts was auch nur im entferntesten musikalisch kompatibel sein könnte ausgelassen worden zu sein... zumindest wenn man auf schnelle Zweiviertel und ähnliches verzichten kann, diese nämlich fehlen (bis auf eine Ausnahme) gänzlich.
Aber wer braucht das schon wenn man der Langeweile anderweitig trotzen kann, denn simple Songstrukturen, vorhersagbares Part-an-Part sowie stetig gleiche Schemata sind hier einfach nicht zu finden! Vielmehr übermannt den Hörer nach gewisser Zeit der Eindruck, guten alten Kram längst vergangener Tage mittels modernen Skills und einem qualitativen Mehr in Sachen dreckiger, aber klar definierter, Produktion geboten zu bekommen. Und ganz nebenbei werden gerade Live Songs wie "Old Widow's Gloom", "Brimstone", "Eyes in the Night" oder "Teal Trail" das ältere, rhythmisch etwas mehr beanspruchende, Material perfekt ergänzen, vor allem aufgrund eines spürbar greifbareren Groove, welcher problemlos auch bei einer breiteren Masse des Publikums funktionieren sollte.
Fazit: Nicht unbedingt härter oder kompromissloser als sein Vorgänger, aber auf eine äußerst griffige Gangart weitaus mutiger und kreativer, stellt "Iron Chest" ein vollends überzeugendes Album dar und sollte für EARTHSHIP ein weiterer Schritt Richtung Metalfame bedeuten! Anspruchsvolle Schwergitarrenmusik wurde hier bis ins kleinste Detail durchkomponiert und verdient allein deshalb schon den uneingeschränten Einsatz metalesquer devil- horns! Wenn man zudem noch die stoische Ruhe eines Jan Obergs live miterleben durfte, in kreativer Arbeit mit, sagen wir minder talentierten, Bands e-gitarrenbasierter Zerrmusik, fällt es definitiv nicht ins Land der Mythen und Legenden fest davon auszugehen, dass auf die ersten beiden Werke noch das eine oder andere folgen wird, den Ruhe und Geduld sind bekanntlich äußerst wertvolle Tugenden und im hektischen Musikbusiness heutiger Dekaden Garant für konstanten Glanz!
Auch deshalb geht ein dicker Gruß raus vom ewig dankbaren Raul an Jan und natürlich auch an seine Crew! Mein Bart fühlt sich einfach bärtiger an wenn ich eure Scheibe höre...
Punkte: 8/10
Discographie
2011 - Exit Eden
2012 - Iron Chest