VÖ: 31.08.2012
Label: Midsummer Records - http://www.midsummer-records.de
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Tracklist
01. Anamnesis
02. Limerent
03. Absenz
04. Agitation
05. Ligaphob
06. Mara
07. Irrath
08. Ira
09. Datorie
Laufzeit: 66:15 min
Lange lag es im Plattenspieler, viel zu viel war bereits über alle Blogs, Fanzines und Magazine hinaus über das zweite Album von The Hirsch Effekt zu lesen: „Fantastisch“, „Wahnsinns-Album“, „schlichtweg genial“, „ein ganz großer Wurf“. Ein Meisterwerk? Dieses chaotische, scheinbar nur einen verdammt dünnen roten Faden besitzende Stück Musik, welches sich über 66 Minuten erstreckt und so gar kein klares Bild ergeben will? Es gibt einfacherer Dinge, als sich auf „Holon: Anamnesis“ einzulassen. Ohne Frage lohnt es sich jedoch, denn was das Trio hier veranstaltet, ist Poesie, Bombast, Avantgarde. Und noch vieles mehr. Vorhang auf für das Zweitwerk der Hannoveraner.
Die ersten Töne der Platte klingen leise an, Streicher erschaffen schnell ein zappeliges Bild, welches von einem zurückhaltenden Schlagwerk untermalt wird, kurze Ruhephasen, „Wer sich jetzt noch umdreht ist selber schuld“, erste chaotisch anmutende Momente, denen noch die Kraft schwerer Gitarren fehlt, die aber genau dadurch wunderbar vorbereiten auf das was kommt. Und das ist ein unglaublich bunter Strauß an unterschiedlichsten Stilen, Instrumenten, Gesangsarten, Schnelligkeiten, Stimmungen, alles. Progressiv und sich keiner Genre-Grenzen bewusst seiend. Jeder Song ein Mammut, ein verrückter Irrer, ein Wahnsinn, der irgendwie zusammengehalten wird. Es ist eigentlich nicht erklärbar, wie The Hirsch Effekt all das miteinander verknüpfen, aber es funktioniert einfach. Wer denkt, Indie Rock kann nicht mit fiesem Mathcore, kann nicht mit bollerndem Hardcore, kann nicht mit Progressive Metal, der soll diesen Bastard hören. Und sich zudem von kirchlichen Chören („Mara“), hymnischen Hooks („Ira“, „Absenz“), zartesten Melodien („Agitation“) und elektronischen Elementen („Ligaphop“) vereinnahmen lassen. All das ist umrahmt von grenzenlosem Überschwang, ausufernden Gitarren und der Freiheit der Gedanken. Mal laut, mal leise, mal schreiend, mal singend, mal bitterböse, mal zuckersüß. Songwriting für Fortgeschrittene, Instrumentenbearbeitung für Profis, Details für Suchende, ein Hörererlebnis für Aufmerksame.
Wer dann noch klar denken kann bzw. den vierten, fünften Durchlauf hinter sich hat, kann anfangen, sich auf die Texte zu konzentrieren, welche in deutscher Sprache performt werden. Und wiederum versuchen, diese zu erfassen, zu verstehen. Wie Gedichte lassen sich jene lesen, verschachtelt, aneckend, mal verstörend, mal wunderschön, wie der Klang der Instrumente, so auch der Klang der Stimme, die Farbe der Lyrics. Man wird ergriffen, wir abgestoßen, wird Zeuge von Kunst, Avantgarde, Größerem.
Es ist verdammt schwer, „Holon: Anamnesis“ in Worte zu fassen, da es eigentlich nichts Vergleichbares gibt. 66 Minuten, die kein Anfang und kein Ende haben, eine Band, die alles auf eine Karte setzt, alles riskiert, und damit gewinnt. Bitte, bitte hören. Wem wünscht man es mehr, als denen, die vorangehen.
Punkte: 10/10
Discopgraphie
2012 - Holon: Anamnesis LP
2010 - Holon: Hiberno LP
2010 - Split w/ Caleya
http://www.thehirscheffekt.com/