VÖ: 2011
Label: D.I.Y.
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Tracklist:
01. Intro
02. Rekonfigurator
03. Versuch eines Dialogs mit Schmerz
04. Das dunkle Gestirn
05. Zum Refrigerator
06. Ein letzter Paraxismus
Spieldauer: 30:30
Das sanfte aber beständige Schaben der Nadel auf dem Vinyl vermischt sich mit dem Ausklingen von aufgedrehten Röhrenamps zu einem nahezu hypnotisierenden Soundbrei, nur immer wieder unterbrochen von einer Hihat, Tomschlägen und... ist das eine Kaffeemaschine? Und wieso wollen sich hier Menschen auf den letzten Sekunden noch mit mir versöhnen, die mir vorher eine knappe halbe Stunde lang einen shizophrenen Keil zwischen Hörzentrum und Vorderhirnrinde getrieben haben - schwer, sperrig, anstrengend und so überhaupt nicht angenehm zu hören... eigentlich. Und gleichzeitig liegt sie so unschuldig da, die LP in braunem Karton mit einem wabernden schwarzen Etwas auf dem Cover. Auf "Abkehr" ist Einiges völlig anders, mit einer Konsequenz, die stellenweise schon fast unerträglich ist.
Aber beginnen wir am Anfang, der Ablauf ist ja immer der gleiche: die Platte wandert auf den Teller und als sich der Tonarm seinen Weg sucht, drehe ich die Scheibe um und schaue mir die Titel an - Fehlanzeige! Keine Titel. Vielmehr die Musik seziert in ihre Bestandteile mitsamt Titel und Zeitangabe. So beginnen ZAAR von Minute 0:00 bis 0:16 mit "Sopor", bevor sich "Der endende Traum" von 0:17 bis 1:13 anschließt. Und so seltsam die Bezeichnungen für die musikalischen Fragmente auch stellenweise sind, so treffend sind selbige formuliert und ich frage mich ernsthaft, was hier zuerst dagewesen sein mag? Die Musik oder ein Schlachtplan, eine seltsame verschrobene Geschichte, die dann in Noten gefasst wurde.
Es wird sich Zeit genommen; ein weiteres Kennzeichen, welches auch nicht gerade unüblich für diese Gattung ist, irgendwo zwischen experimentellem Chaos-Punk, psychedelischem Hardcore, Doom und Downtempo. Und genauso kommen einem auch entsprechende Referenzen in den Sinn, wie The Dillinger Escape Plan, - etwas seichter - frühe War From A Harlots Mouth oder The Safety Fire. Nachdem sich aber der Spannungsbogen über die ersten zweieinhalb Minuten immer weiter gespannt hat und mit "Schwelle zum Intimismus" bzw. "Seine Ambivalenz" I und II die Brocken auf einen herniedergehen merkt man, wie unheimlich selbstständig und authentisch diese Mixtur bei ZAAR doch ist. Das Dreierkollektiv legt die perfekte Instrumentierung, während die Vocals, die von Alexandra v. Bolz'n beigesteuert wurden, ihr Übriges tun - kehlig, unmöglich brutal und scheinbar stets am Rande der körperlichen Entgrenzung.
Richtig heftig merkt man diese angesprochene Kompromisslosigkeit in Phasen wie "Bruchterminologie"/ "Willenskampf"/ "Scheinende" (ich weiß schon, die Bezeichnungen werden dem Durchschnittsleser sicherlich nichts bringen, sind aber so schön bezeichnend für das Musikalische, was einen auf "Abkehr" erwartet). Da wird hin- und hergesprungen zwischen den Emotionen, Metrum und Tempo verändert, Dissonanzen als prägende Stilmittel eingesetzt und alles irgendwie immer ein Stück zu weit getrieben. Es folgen gesprochene Interludes und irgendwie weiß ich nach 20 Minuten eigentlich gar nicht mehr, wo mir eigentlich der Kopf steht. Und dann wagen sich diese Menschen, mit "Verfall in all seiner Schönheit" zum Ende noch ein so stimmig klingendes und gut anhörbares Stückchen Musik zu produzieren, wodurch der Redakteur dann wieder so da sitzt, wie in den einleitenden Worten zu diesem Review beschrieben.
"Abkehr" ist einfach so anstrengend! Es ist aufdringlich, viel zu extrem und sperrig. Und das Bedeutendste: Es gefällt mir gerade deswegen so gut! Wer einen richtigen Eindruck davon bekommen möchte, wie Chaos klingt und wo nicht nur ab und an mal ein cleaner Jazz-Akkord in den Raum geworfen wird - hier ist die Gelegenheit! Anhören! Kaufen! Dringend!
Punkte: 8/10
Disko:
2011 - Abkehr LP
Links:
http://www.facebook.com/zaarism