[Review] Enter Shikari - A Flash Flood Of Colour

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GotB
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[Review] Enter Shikari - A Flash Flood Of Colour

Beitrag von GotB »

Enter Shikari - A Flash Flood Of Colour

VÖ: 13.01.2012
Label: Ambush Reality - http://www.myspace.com/ambushreality

Bild

Tracklist:
01. System
02. Meltdown
03. Sssnakepit
04. Search party
05. Arguing with thermometers
06. Stalemate
07. Ghandi mate, ghandi
08. Warm smiles do not make you welcome here
09. Pack of thieves
10. Hello tyrannosaurus, meet tyrannicide
11. Constellations

Spieldauer: 42:09 min

Der Weg zu diesem dritten Album war ein langer - zumindest was den Promotion-Vorlauf angeht. Schon vor Monaten folgten Single-Veröffentlichungen, die schlussendlich nicht mal Teil des Albums wurden ("Destabilise"), trotzdem aber unfassbar Lust machten auf das, was nun endlich erschienen ist: "A Flash Flood Of Colour". Wieviel haben Enter Shikari richtig gemacht mit den Vorabveröffentlichungen der Songs "Sssnakepit", "Gandhi mate, Gandhi" und "Arguing with thermometers"? Waren die aussagekräftig für das Album als Gesamtwerk oder eher ein bewusstes Stiften von Verwirrung? Der Vierer aus St. Albans macht Einiges anders, das sollten diejenigen wissen, die sich mit der Band seit längere Zeit auseinandersetzen. Für mich zählte aber am letzten Freitag erstmal nur eins: Diese Platte endlich in der Hand zu halten.

Und sie ist wunderschön, anders kann ich das gar nicht sagen. Das Cover, auf dem das LED-Wallwasher-Dreieck in einem lichtdurchfluteten Wald steht, ist bereits aus dem Trailer bekannt und ziert sowohl das Cover, tritt aber auch als zentrales Gestaltungselement im Artwork immer wieder auf. Auf jeden Fall ist das eines der besten Artworks, die ich seit Ewigkeiten gesehen habe, allein schon deshalb, weil es einfach komplett anders ist. "A Flash Flood Of Colour" wandert unvermittelt in den Player und ist dort innerhalb von jetzt vier Tagen auch nicht wieder herausgekommen. Genau das empfehle ich auch denen, die sich dieses Album zulegen. Selbst nach einer höheren zweistelligen Anzahl an Durchläufen entdeckt man permanent neue Nuancen.

Den Beginn markiert das Doppel bestehend aus "System" und "Meltdown", das typisch Enter Shikari wieder äußerst politisch ist und kritisch Stellung zu dem nationalstaatlichen System nimmt, in dem wir heute leben und in dem das Individuum untergeht, gerade wenn es niemanden hat, der für es spricht. So leitet "System" mit gesprochenen Lyrics, Streicheruntermalung und stetig ansteigendem Spannungsbogen lückenlos in "Meltdown" über, das nach guten 20 Sekunden den ersten Breakdown aus den Boxen feuert. Darin überlagern sich zahlreiche Synthesizer-Schichten, ohne das Ganze aber in diese furchtbar ausgefahrenen Trancecore-Schiene zu drücken. Dabei verschwimmen immer wieder die Grenzen zwischen elektronischen und "echten" Instrumenten, was im Verlaufe des Albums noch extremer zum Tragen kommen wird. Schlussendlich die Hauptaussage: "Fuck all borders and fuck all boundaries, fuck all flags and fuck all nationalities [...], countries are just lines drawn in the sand with a stick". Besser kann man es wohl nicht zusammenfassen.

Es folgt das bereits bekannte "Sssnakepit", dass sich vor allem durch die konsequente Trennung des Songs in Drum 'n' Bass- und Postcore-Part auszeichnet. Gerade auf die Basslinien hat man bei der Produktion besonders Wert gelegt und die machen somit unter Voraussetzung von Lautsprechern bzw. Kopfhörern mit ausreichendem Frequenzgang heftig Spaß. Anderweitig überrascht mich, mit was für einer Leichtigkeit zwischen Mitgröhl-Refrain und Beatdown-Parts gewechselt wird. Definitiv ein grandioser Song, aber das war bereits vor der Albumversion klar. "Search party" ist da ausgewogener und stellt wohl den linearsten Song des ganzen Albums dar. Gleichzeitig erinnert er sehr stark an "Take To The Skies" - Zeiten, also an Songs, die sich laut Youtube-Kommentarbereich erstaunlich viele zurückwünschen. Mir persönlich fällt vielmehr auf, wie einfach gestrickt die Songs zu dieser Zeit gewesen sind. Die Weiterentwicklung, die Enter Shikari seitdem genommen haben, ist beeindruckend. Sicherlich wirken die Songs stellenweise zerfahren, nach der bereits eingangs angeratenen Anzahl von Durchläufen offenbart sich aber mehr und mehr der vielbeschworene rote Faden, der gerade auch durch Rou Reynolds Stimme gewoben wird, die zwischen extremer Variabilität und britischem Akzent ein gerüttelt Maß an Wiedererkennungwert bietet. Gerade in den Spoken Words-Passagen erinnert das dann sehr oft an The Streets.

"Arguing with thermometers" fördert dann aber wieder eine ganz andere Seite zu Tage: Funk-Gitarren, plötzlich wieder ein fetter D'n'B-Part. Beim ersten Durchlauf fragt sich sicherlich jeder, was nun hier eigentlich los ist... und beim zweiten und dritten. Bis dann irgendwann auch hier auffällt, wie fantastisch auskomponiert das Ganze ist. Das wird sicherlich für Viele viel zu viel sein - gleichzeitig soll das hier auch kein Mainstream werden, denn konträr zu anderen Bands dieses Genres verabschieden sich Enter Shikari meines Erachtens immer weiter weg von selbigem, finden aber gleichzeitig immer mehr zu der Musik, die sie einzigartig macht. Die Thematik der Texte ist beispielsweise oftmals niederschmetternd. Anstatt aber die Die-Welt-ist-schlecht-ich-muss-Menschen-töten-Keule zu schwingen, ist die Grundaussage von "A Flash Flood Of Colour" so unglaublich positiv. Das wird auch beim darauffolgenden "Stalemate" klar, einer Ballade, die zum Mittelteil hin den Spannungsbogen immer weiter aufbaut und dort einen musikalischen Höhepunkt einbaut, den man irgendwie gar nicht in Worte fassen kann - eine Mischung aus dutzenden Genreeinflüssen; zweistimmige Gitarrenleads, breite Basslinien und das alles klingt so, als wäre es genau für diesen Song mit diesem Text an dieser Stelle in diesem Album geschrieben.

Es folgt "Gandhi mate, Gandhi", ebenfalls schon bekannt und deshalb weiß ich, dass jetzt ein unfassbar sperriges Etwas kommt, mit völlig unharmonischen und unrhythmischen Dubstep-Parts. Dazwischen wieder ein groovendes Hardcore-Gemisch, was ziemlich brutal rüberkommt, somit aber einfach perfekt die Lyrics untermalt. Ebenso unmöglich ist dann "Warm smiles do not make you welcome here", das wieder einmal funkig beginnt, eine Minute lang wie Elektro-Pop klingt, bis dann erneut verzerrte Gitarren und Bass-Synthesizer die Härte anziehen. Nachdem eine verzerrte Vocoder-Stimme "Transformation in progress - transformation complete" verkündet, verschiebt sich der Song hin zu Metalcore-Riffing und treibt die letzten zwei Minuten bis zum Ende. Keine Ahnung, was man da genau davon halten soll. Man muss sich aber einfach darauf einlassen!

"Pack of thieves" klingt wieder etwas nach alten Enter Shikari mit grandiosen Mitsing-Refrains und treibenden Strophen. Die beste Stelle folgt dann aber nach guten zwei Minuten, als man innerlich den Song als schön eingängig abgestempelt hat und erwartet, dass dieser jetzt auch so zu Ende geht: Plötzlich Pause, ein "now change the world" und wieder Dubstep. Das kommt beim ersten Durchlauf so überraschend und tight, dass mir da einfach mal direkt der Mund offen stehen geblieben ist. Den vorletzten Song bildet "Hello tyrannosaurus, meet tyrannicide" (welch' ein Wortspiel), in dem Gitarrist Rory nach anfänglichem Drum 'n' Bass wieder einige mitreißende Licks aus den sechs Saiten zaubert. Das Ganze löst sich immer mehr auf, bis im Mittelteil das Tempo zusammenbricht und man wieder einmal mit einem ekelhaft sperrigen Breakdown abschließt, was alles aber erneut so ganz anders wirken lässt, als das, was man sonst so hört.
Als "A Flash Flood Of Colour" mit "Constellations" endet, sitze ich gerade auf dem Dresdner Hauptbahnhof und warte auf meinen Zug. Dann folgt diese abschließende Ballade, deren textliches Grundmotiv ein sprachliches Bild ist, in dem Sänger Rou eben auf einem Bahnhof steht und über die Zukunft philosophiert, darüber, dass die Zeichen fehlen, die uns den richtigen Weg weisen und wir immer in das Unglück reisen, egal von welchem Bahnsteig wir abfahren. Und wieder einmal fehlen mir die Worte, wie man das überhaupt beschreiben soll, bis der Song so eine positive Wendung nimmt und man mit Inbrunst wieder nach oben geholt wird. Das mag jetzt alles sicherlich irgendwie überzogen und aufgesetzt klingen, waren aber genau meine Empfindungen, die ich bei dieser Scheibe hatte. "A Flash Flood Of Colour" endet und ein kurzes Drücken auf den Mp3-Player lässt es von neuem starten - ja, so sollte man das ja machen.

Und im Endeffekt weiß ich nichts weiter zusammenzufassen, als das für mich hier die perfekte Symbiose aus Posthardcore, Metalcore und Elektro-Einflüssen jeglicher Art und Ausprägung. "A Flash Flood Of Colour" ist unglaublich vielschichtig, stellenweise (gewollt) sperrig, dann aber wieder hochemotional und mitreißend. Hörer, die mit Enter Shikari bisher noch nichts anfangen konnten - weg davon, denn das wird sich sicherlich nicht ändern. Für alle, die mit der Mischung bislang schon was anfangen konnten: Definitiv reinhören. Für mich persönlich ist es perfekt!

Punkte: 10/10

Disko:
2012 - A Flash Flood Of Colour
2009 - Common Dreads
2007 - Take To The Skies

Links:
http://www.entershikari.com
http://www.facebook.com/entershikari
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Re: [Review] Enter Shikari - A Flash Flood Of Colour

Beitrag von Manhunter »

Richtig dicke Scheibe. Bin auch der Meinung das die sich nur positiv entwickelt haben obgleich ich denke, dass das Album der Zenit sein wird :?
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