VÖ: 04.10.2011
Label: Bastardized Recordings - http://www.bastardized.ne
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Tracklist:
01. Inception
02. Blinded
03. Broken home
04. Till the end
05. Outcast
06. Abused
07. Perception
08. Welcome to the abyss
09. Addicted
10. Between angel and beast
11. Revenge and murder
12. Clarity of mind
Spieldauer: 38:45 min
Das sächsische Erzgebirge - die Wiege des progressiven Death-Metal. Trotz der Tatsache, dass diese Aussage meinerseits vor der Szenepolizei sicher nicht haltbar wäre, so will ich es doch immer und immer wieder schreiben. Grund dafür: die neue Scheibe von Dying Humanity, mittlerweile based in Chemnitz und seit jeher bekannt, nicht gerade die untechnischste Schiene zu fahren. Sicherlich, da gibt es viele, die es ähnlich handhaben, aber mit welcher spielerischen Leichtigkeit der Fünfer - gerade auf dem letzten Album "Fragments Of An Incomplete Puzzle" - den technischen Anspruch mit Härte und unfassbar catchy Melodie-Fragmenten zu verknüpfen wusste, ist für meine Begriffe ein wirklich aus der Masse herausstechendes Merkmal des Sounds dieser Band. Das war 2009 und jetzt, zwei Jahre später, folgt der nächste Streich mit der Langrille "Living On The Razor's Edge". Es gilt, einen Ruf zu verteidigen.
Die Langrille startet ähnlich wie der Vorgänger mit einem atmosphärischen Intro, welches direkt in den Opener "Blinded" übergeht. Nach diesen wirklich schön anzuhörenden 40 Sekunden setzt es unvermittelt wieder den ersten Blastbeat hinter die Ohren - dazu wirklich rasantes Riffing, mal einstimmig, mal zweistimmig, und ein wirklich vielseitiger und hochwertiger Gesang, sowohl in den tiefen als auch hohen Lagen. Nach einer Minute wird dann schon das erste Solo hinterhergeschossen, was für mich schon immer einer der großen Pluspunkte von Dying Humanity war: hier wird nicht nur irgendein obskures Highspeed-Shredding geboten, welches jeglichen Zusammenhang zum Songkontext vermissen lässt. Nein, die Melodien fügen sich perfekt in die Harmonik ein und ermöglichen das, was ich persönlich immer sehr gerne mache, nämlich ein Solo mitsummen zu können. Sehr schön! Direkt weiter geht es mit "Broken home" - wie zu erwarten in ähnlich angezogenem Tempo wie vorher. Der Song erinnert von seiner Gestaltung her anfangs etwas an "Sick desire - dead aim", nimmt dann aber spätestens mit coolen Flanger-Effekten eine andere Stimmung an und punktet auch mit etwas gedrosselten BpM-Zahlen, andererseits aber ebenso mit einem zweistimmigen Sweeping-Solo.
An dieser Stelle verliere ich mal ein paar Worte zu den Lyrics: bei "Living On The Razor's Edge" handelt es sich um ein Konzeptalbum, welches den Zerfall der Menschheit am Beispiel einer Frau seziert, die sich permanent entlang der Probleme der heutigen Gesellschaft wie Drogen oder Missbrauch bewegt. Die Lyrics bieten also wie sich schon erahnen lässt nicht gerade sinnbefreites Splatter-/Gore-/Was weiß ich-Szenario, sondern versuchen, auf subtile Weise die Schattenseiten der menschlichen Existenz aufzudecken... das gibt ja schließlich auch schon der Bandname her.
Im Mittelteil gibt es mit "Perception" ein Instrumental, welches quasi die Motive aus dem Intro "Inception" wieder aufgreift, um wiederum in einen echten Brecher überzuleuten: "Welcome to the abyss" ist ein wahres Doublebass-Monster, dass extrem nach vorne treibt, das die ersten zwei Minuten kompromisslose Geschwindigkeit bietet, bis dann ein melodischer Zwischenpart folgt, der mich ein bisschen an alte Neaera zu "The Rising Tide Of Oblivion"-Zeiten erinnert. Darauf folgt wieder klassisches Dying Humanity-Songwriting, was auf alle Fälle mehr als ein Durchlauf benötigt, um richtig zu zünden, weil die Komplexität des Materials wieder um Einiges nach oben geschraubt wurde. Ein richtiges Highlight ist das abschließende fast acht Minuten lange "Clarity of mind", was so unglaublich vielschichtig ist, dass ich das an dieser Stelle eigentlich gar nicht beschreiben kann. Der Spannungsbogen wird über die Spielzeit häufig zurückgenommen, es folgen kurze Interludes, stellenweise klingt das Material fast schon wie eine härtere Ausgabe von alten Iron Maiden, bis der Song in akutischer Gitarre und teilweise etwas an Santana erinnernder Sologitarre ausklingt.
Die Erwartungen meinerseits waren zwar hoch, wurden aber mit "Living On The Razor's Edge" durchaus erfüllt. Meine größte Befürchtung war, dass man entweder beim Vorgänger stagnieren würde oder aber dem eigenen Stil in irgendeiner Richtung entgleiten könnte. Dying Humanity treffen hier aber genau das richtige Maß zwischen altbekannten Trademarks und Innovation. Gerade der erwähnte Rausschmeißer "Clarity of mind" ist großartig und bietet so viel, dass der geneigte Anhänger des melodisch-progressiven Death-Metals unbedingt reinhören sollte.
Punkte: 8/10
Disko:
2011 - Living On The Razor's Edge
2009 - Fragments Of An Incomplete Puzzle
2007 - Fallen Paradise
Links:
http://www.facebook.com/dyinghumanity