VÖ: 30.09.2011
Label: Midsummer Records - http://www.midsummer-records.de/
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Tracklist:
01. Mute Mode
02. Everything Is Wrong. Everything Is OK.
03. Moth-Eaten
04. Of War Is At War
05. Digital Me
06. In Between Mountains
07. Town Of Clocks
08. Lightning Speed
09. Dancing Upon The Moon
10. Cutty Sark
11. Dead In The Water
12. Versus
Laufzeit: 51:02 min
Musikalische Bastarde treten immer häufiger an´s Tageslicht. Gängige Hardcore- und Metalcore-Gepflogenheiten, welche sich nicht selten gar vollkommen stolz wiederholen und selbst kopieren, führen immer mehr dazu, dass sich Bands von eben jenen verabschieden und gleichzeitig öffnen für weitere Einflüsse. Ein Parade-Beispiel dafür stellt die Band An Early Cascade dar, welche nach eigenen Auskünften mit ihrem neuen Album ähnliche Grenzen sprengen will, wie es einmal Größen wie Deftones, Radiohead oder Silverchair getan haben. Dass die fünf Stuttgarter dabei wirklich die Frontlinien des Schwarz-Weiß-Denkens sowie der musikalischen Begrenzungen oben genannter Genre verlassen, wird nicht nur aufgrund des optisch ansprechenden Artworks klar, sondern durch beinahe jede einzelne Sekunde auf „Versus“.
Nachdem man dank „Mute Mode“ erst einmal das Signal erhalten hat, sich von sämtlichen bekannten Sounds, Genregrenzen und anderen musikalischen Selbstverständlichkeiten zu lösen, wabern die Elektro-Tunes von „Everything Is Wrong. Everythink Is OK“ nur so los und untermalen die erste kleine Post Rock-Hymne auf „Versus“. Im typischen Rockgewand „Leise Strophen – Laute Refrains“ aufkeimend, gibt es zum Ende Groove-Action, ein episches Solo und die Gewissheit, dass die Band die alten Pfade definitiv verlassen hat und sich von nun an fernab von Begrifflichkeiten wie Hardcore, Metal, Chaos oder auch Experimental bewegt. Weiter geht es mit dem extrem verzweifelten „Moth-Eaten“, wo erstmals nun auch die musikalischen Wurzeln von An Early Cascade zum Vorschein kommen und heisere Shouts über abgehakt-chaotisches Drumming gestülpt werden und sich abwechseln mit schicken Gesangs-Passagen, die sich sehr gut in das Sound-Gerüst einfinden.
Erinnert wird man dabei an Bands wie Dredg („Digital Me“), die späten Crime In Stereo („Dancing Upon The Moon“) und die bereits erwähnten Deftones („In Between Mountains“), aber eigentlich auch an gar keine. „Versus“ ist ein ganz und gar extrem vielfältiges Werk, welches sich sämtlicher Genre bedient und zum Großteil auch richtig gut innerhalb der jeweiligen Songs funktioniert. Leider hat es dieser Umstand zur Folge, dass zwischen den Tracks nicht immer ein roter Faden zu erkennen ist, ja manchmal nicht einmal ein Sampler-Gefühl aufkommt: besonders der Bruch zwischen „Of War Is At War“ und „Digital Me“ ist dermaßen krass, dass man der Band schon mehr als den Stempel einer zerrissenen Identität aufdrücken muss – was man natürlich euphemistisch gar als „modern“ bezeichnen könnte. Hier schafft man es mitunter nicht immer, den schier unendlichen Ideenreichtum mit einer stimmigen Gesamt-Atmosphäre in Einklang zu bringen. Dass es mehr als schwierig, genau das zu schaffen: keine Frage. Dass man dies aber selbst – vor allem als so erfahrene Musiker – erkennen sollte: auch keine Frage.
Und so bohren sich die größtenteils saustarken und meist sehr sphärischen Tracks mit all ihren unterschiedlichen Facetten in die Hirnrinde und faszinieren auch bei mehrfachem Hören immer wieder, da ständig neue kleine Details gefunden werden und vor allen Dingen der Mann an der Schießbude eine dermaßen opulente Arbeit auf dem Album leistet, dass man sich nur verneigen kann. Dazu kommen fiese Riffs, wunderschöne Riffs, brutale Riffs und was-weiß-ich-für-Riffs, die in der Summe mehr als überzeugen und besonders mit den elektronischen Klängen harmonieren. Lyrisch wirft man sich einige Male zu oft in das viel zitierte Todes-Gewirr, was doch recht enervierend ist, und an den Hooks hätte man sich sicher noch etwas mehr abarbeiten können, da jene nicht selten gängigen Rock-Klischees entstammen und langgezogen-wehleidige Gesangsparts intus haben, jedoch stellen sie einen wichtigen Teil des ständig präsenten und spannenden Kampfes zwischen Eingängigkeit und Vertracktheit dar. Der Gesang ist dabei insgesamt betrachtet enorm abwechslungsreich und weiß in jeder Tonlage zu bezirzen, so dass man schlussendlich ein sehr starkes, aber auch – vor allem aufgrund der „alten Härte“ – ein sehr gespaltenes Album vor sich hat.
„Versus“ ist ohne Zweifel ein großes Werk, welches sich auf beinahe allen Ebenen abhebt von gängigen Strukturen und mal ganz trocken wirtschaftswissenschaftlich betrachtet extrem viel USP besitzt. Dass dabei nicht immer die nötige Kohärenz aufrecht erhalten wird, ist wahrlich kein Beinbruch, würde aber die Schleife auf dem stilistisch hochwertig vollgestopften Paket darstellen. An Early Cascade haben einen enormen Schritt in die richtige Richtung gemacht und präsentieren nun ungewöhnliche Stärken. Einfach ein sehr, sehr gutes Album, welches jedoch auch noch ein ganz paar Schritte von der Perfektion entfernt ist.
Punkte: 08/10
Discographie:
2011 - Versus LP
2008 - Your Hammer To My Enemy LP
2007 - Split w/ Dramaquen Hyteria
2006 - A Murderer´s Day EP
2005 - An Early Cascade LP
http://www.myspace.com/anearlycascade