[Review] Seed of Pain - Blindfolded and Doomed

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Kingpin
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[Review] Seed of Pain - Blindfolded and Doomed

Beitrag von Kingpin »

Seed of Pain - Blindfolded and Doomed

Label: Cobra Records - http://www.myspace.com/cobraxrecords
VÖ: 09/2009

Bild

Tracklist:
01. nur zwei dinge
02. blind masses
03. meritocracy
04. by mistake
05.blindfolded
06. doomed
07. nosce te ipsum
08. existence
09. dependency
10. doomed remix by flea and fur*
11. doomed remix by krankenzimmer 204*
12. 10.10*
* nur auf der CD-Version

Laufzeit: 60:10 min

Frei von musikalischen Konventionen und ohne jeglicher Limitierung der eigenen Herangehensweisen hinsichtlich Wort und Ton: so präsentieren sich Seed Of Pain auf ihrer Homepage und schaffen es - im Gegensatz zu vielen Bands, die ähnliches über sich verlauten lassen - Musik zu generieren, die wirklich genau jene Prinzipien widerspiegelt. Aus dem schweizerischen Luzern stammend, veröffentlichte die Band mit „Blindfolded And Doomed“ im Herbst 2009 ihr Debüt und erschaffte dabei eine Blaupause inmitten von völlig flüssig erscheinenden Grenzen zwischen Hardcore, Doom, PostRock und Industrial und Inhalten wie existenziellen Fragen, großstädtischer Depression, beißender Gesellschaftskritik und Selbstverortungen innerhalb einer nicht wieder zu erkennenden Welt.

Begonnen wird „Blindfolded and Doomed“ mit leisen, sphärischen Klängen und dem Vortragen des Gedichtes „Nur zwei Dinge“ des deutschen - und gänzlich nicht unumstrittenen - Dichters Gottfried Benn, was einen brillanten Einstieg darstellt mit all seinem Nihilismus und dem desillusionierten Grundton. Kurz nach dem Abklingen der letzten Worte türmt sich dann langsam aber zielgerichtet die unglaublich düstere und depressive Atmosphäre auf, die bis zuletzt aufrechterhalten bleibt: aus der Stille heraus sprießende Melodien, brettharte Gitarrenwände und noise-artige Elemente bieten das perfekte Intro in das sechzig minütige Werk der fünf Schweizer. Was folgt sind unglaublich abwechslungsreiche Tracks, die so durchdacht wirken, so präzise Part für Part aneinandergereiht wurden und so von einer enormen Perfektion geprägt sind, dass man wirklich den Eindruck bekommt, dass die Band nur ihren Überzeugungen und Emotionen folgte und deren musikalische Umsetzung im Fokus ihres Schaffens hatte. Dabei dreht sich Seed Of Pain jedoch nicht nur um sich selbst, sondern kreiert einen Sound, der mit seiner ungeheuren Ausdruckskraft eine überindividuelle Ebene erreicht und Bilder vor das geistige Auge des Hörers legt, die kaum in Worte zu fassen sind. „Blindfolded and Doomed“ ist eine Art Soundtrack für den Untergang der menschlichen Existenz: tonnenschwer, gnadenlos schleppend und bitter stampfend bietet sich hier die Vertonung für den letzten Gang - zum Schafott. Zwischendrin wird es immer auch ein wenig ruhiger, und Interludes wie „By Mistake“ oder „Existence“ schaffen es, die nötige Stille in das Werk zu befördern. Allgemein gibt es viele leise Parts, die aufgefüllt sind mit der flüsternden Stimme des Sängers oder Samples und innerhalb der dichten Atmosphäre unglaublich passend sind. Das musikalische Gespür und Geschick von Seed of Pain ist einfach riesig und die Band weiß millimetergenau, wie sie es verwerten kann.

Man könnte wirklich tausende Worte über diese ideenreiche Platte verfassen, und könnte doch nur annähernd beschreiben, was genau dieses Album ist. Man könnte das geniale Feature von Remo Helfenstein erwähnen, der bei dem Song „Blindfolded“ mitwirkt und stimmlich irgendwo zwischen Ian Curtis und Tom Smith liegt, was sich so perfekt einfindet in dem Sound der Band, dass man beinahe zweifach Gänsehaut bekommt; man könnte über die beiden Remixe von „Doomed“ berichten, die zwar nicht jedermanns Sache sein werden, aber in ihrer Unterschiedlichkeit und allein aufgrund der großartigen Idee der Neu-Interpretation des zweiten Titeltracks, welcher mit einem fies verzerrten Bass beginnt, der seines gleichen sucht, sowie im Allgemeinen ein brillanter Song ist, einfach einen (weiteren) Abgesang auf das Genre-Denken darstellen; man könnte davon erzählen, wie man sich jenes Werk teilweise erkämpfen muss, weil es auch sperrig ist und keinen einfachen Zugang ermöglicht, aber es sich mit jedem Hören mehr und mehr erschließt und sich dabei tiefschürfend in die Hirnrinde einfrisst.

All das sind nur Bruchstücke eines, ja, Meisterwerkes.

Passend dazu ist der Sound roh und hart, manchmal organisch und manchmal beklemmend maschinell. Die leicht verzerrte Stimme des Frontmanns passt sich perfekt arrangiert in jeden einzelnen Song und ist getrieben von Hoffnungslosigkeit und einer Wut, die bei näherem Hinhören an die Rotzigkeit englischer Punk-Bands der späten Siebziger erinnert.

„Blindfolded and Doomed“ ist eine großartige Platte, da gibt es überhaupt keine Frage. Ihrer teilweise bewegenden, zum Nachdenken anregenden und verstörenden Gesamtdarbietung liegt eine mitreißende, einfallsreiche und qualitativ hochwertige musikalische Arbeit zugrunde, die Einzigartiges produziert und dabei ein düsteres Werk hinterlässt, welches ganz eindeutig auf die obersten Ränge der letztjährigen Veröffentlichungen gehört. Grandioses Album, was einen nicht kalt lässt.

Punkte: 10/10

Discographie:
2009 - Blindfolded and Doomed LP
2009 - Blindfolded and Doomed Promo
2008 - First & Last & Always
2008 - Thunder & Consolation 7"
2007 - Power, Corruption & Lies Demo
2007 - Demo 2007

http://www.sopcollective.org
Hated Of The World
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Re: [Review] Seed of Pain - Blindfolded and Doomed

Beitrag von Hated Of The World »

absolut.
omerta
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Re: [Review] Seed of Pain - Blindfolded and Doomed

Beitrag von omerta »

heftige platte. hätte ja nicht erwartet, dass mich momentan ne "hardcore"-platte aus der reserve locken könnte, aber bei denen läufts. die vielen neurosis-zitate kommen gut.

überhaupt gibt es in der schweiz einige überdurchschnittlich talentierte bands, nur einfach keine richtige szene.
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