Label: DIY
VÖ: 04. Juli 2009
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Tracklist:
01. Your Body Just Proves That You Hate Yourself
02. Everyday
03. Für Mich
04. My Doubts
05. A World
06. Leblose Gedanken
07. Ausdruck
Spielzeit: 16:02 min
It All Takes Place aus dem schönen Giengen machen auf ihrem ersten DIY-Output einiges falsch,
aber auch vieles richtig.
Als ich erstmals den bemerkenswert interessanten MySpace-Header sah, mich etwas einlas und die ersten Klänge durch meine Kopfhörer tönten, wähnte ich mich in Ungewissheit. Guter Emo aus Deutschland? Kann das pre-YAGE noch funktionieren? Ich hoffte es. Und um ehrlich zu sein, wurde ich nichtmal enttäuscht. It All Takes Place scheinen einige nette Post-HC Vorbilder zu haben, von denen sie sich auch gern bedienen.
Die Gitarren klingen bärigst nach "On Frail Wings Of Vanity And Wax", der schon recht betagten Alesana-Durchbruch-Scheibe. Man möchte meinen, der Eingangsriff ihres Tracks "Everyday" ist nur eine leicht veränderte Version von Alesanas "Ambrosia"-Riff. Doch dies wirkt keinesfalls störend. It All Takes Place machen in der Klampfenhinsicht alles richtig, und warten mit wunderbarem Gefrickel und Härte auf, welche oft durch nette Melodien oder ruhige Passagen wieder zerstreut wird. Großes Kompliment an die Saiteninstrumente an dieser Stelle. Vocaltechnisch ist man bei den deutschen Tracks geneigt, den ein oder anderen Narziss-Vergleich heranzuziehen, und außerdem hört man in ihrer Musik eindeutige YAGE-Einflüsse heraus, was ich als weiteren extremen Pluspunkt hervorheben möchte. Überdies wissen auch die schönen Songstrukturen zu gefallen, gepaart mit einigen recht innovativen Laut-Leise-Dynamiken. Schaut man über den Tellerrand der ergreifenden Lyrics, meint man starken Optimismus und einige Lebensweisheit zwischen der verzweifelten, emotionalen Grundeinstellung durchschimmern zu sehen - auch dafür einen dicken Daumen.
Alles in allem doch ein überwältigend schmackhaft anmutender Cocktail, oder?
Ja und nein. Denn in jedem zweiten Cocktail schwimmt auch eine faule Frucht. Und so hat genauso unser süddeutsches Trio seine Schattenseiten.
Dies fängt leider bei der Vocaltechnik an. Natürlich versuchen sie, divergent zu sein. Viel Abwechslung hineinzubringen. Aber genau da liegt das Problem. Nur die Hälfte der Tonlagen sind auch wirklich sauber, und sehr viele kleinere Fehler rappeln sich zu einem oftmals eher schwierig zu ignorierendem Dissonanzbild. Und dies sage ich als Emo/Screamo-Liebender(!), was heißen soll, dass ich mir auch die chaotischsten und schrägsten Shouter sehr gern anhöre. Hier hätte dem Frontmann, ohne ihm seine Kompetenzen absprechen zu wollen, über welche er zweifellos verfügt, auf jeden Fall der ein oder andere selbstkritische Retake nicht geschadet. Weiterhin stört sehr die Uneinigkeit zwischen Deutsch und Englisch. Das funktionierte bei Maroon schon schwierig ("Schatten" im Kontrast zu Englisch), bei Rammstein schon gar nicht("Pussy" vs. Deutsch), und bei It All Takes Place leider erst recht nicht. Vorallem im letzten Song ("Ausdruck") wird dies sehr deutlich, indem Deutsch und Englisch gemischt wird - es stört einfach ungemein und hindert den Songfluss an sich. Damit will ich nichtmal sagen, dass mir die beiden rein deutschen Lieder der EP missfallen. Ganz im Gegenteil. Sie stechen heraus und sind von den Vocals her weit besser und stimmiger, als ihre englischen Pendanten. Ich rate daher zu dringedem Umdenken, entweder ganz Englisch zu bleiben (dann jedoch zu schrauben!), oder direkt auf Deutsch umzuschwenken, was die Jungs wirklich bravuröus beherrschen. Nach dem fünften Durchlauf der Scheibe nervt der Sprachenwechsel aber nurnoch, und es ist einfach mühsam, die sonst echt netten Tracks dann noch als angenehm zu empfinden.
Letzter Schnitzer der eine konkurrenzfähige Wertung leider verwährt, ist das Arrangement der EP an sich.
Wieso verheizt man die zwei - mit Abstand - besten Lieder ("Your Body Just Proves That You Hate Yourself" und "Everyday") an Platz 1 und 2, und lässt die restliche EP dann absolut Abflachen und total vor sich hin Plätschern? "My Doubts" und "A World" nehmen merklich(!) das Tempo raus, "Leblose Gedanken" dient nur als Filler, und "Ausdruck" ist zwar wieder epischer angelegt, stößt sich aber schlicht und einfach am Sprachengewirr. Es wäre definitiv besser gewesen, sein Pulver mit den beiden ersten Songs nicht so leichtfertig zu verschießen, um den Hörer so auch längerfristig an die Scheibe zu binden. "My Doubts" an 02 und "Everyday" an 05 legen und schon hätte man einen wunderbaren Fluss gehabt. So wie es herausgebracht wurde, kann man die (an sich schon leider unheimlich kurzen) Songs nur mäßig genießen - a la "am Anfang hotte ich noch ab, kurz darauf schlafen mir aber die Füße ein".
Alles in allem muss ich den Jungs jedoch imaginär auf die Schultern klopfen und ihnen mitteilen, dass
mir ihr EP-Cocktail, wie gesagt, doch besser gemundet hat, als ich erst vermutete. Und das trotz fauler Frucht. Post-Hardcore im deutschen Raum ist keine leichte Bürde und es gibt nur wenige Acts, die ich dort blind weiterempfehlen würde.
Wer genau wie ich Bock auf eine mutige, deutsche Post-HC/Emo-Band mit oldschooligem 90-er Screamo Einschlag hat, die nicht vor Stil-, Takt- und Sprachenwechseln zurückschreckt und einiges Potential in sich birgt, darf hier gern mal ein Ohr riskieren. Die Produktion ist leider etwas schwach auf der Brust, aber das soll angesichts einer selbstaufgenommenen DIY-EP erstmal vernachlässigt werden. Für einen Erstling wirklich völlig legitime Scheibe mit dem ein oder anderen Schönheitsfehler. Man darf auf weitere Outputs gespannt sein.
Punkte: 6/10
Disco:
2009 - EP
Links:
http://www.myspace.com/italltakesplace
http://www.lastfm.de/music/It+all+Takes+Place